Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Festung zu nehmen.«
»Nun sag schon.«
»Bestechung. Wir haben jemanden gefunden, der gegen Geld bereit war, uns nachts eine Strickleiter über die Mauer zu werfen.«
Lando lachte, als er mein erstauntes Gesicht sah. »Nach Bisignano konnte Robert es sich leisten, wie du weißt. Und es gehört mit zu meinen Aufgaben, gierige Leute zu finden, mit denen man einen Handel abschließen kann.«
»Du hast dich in die Stadt geschlichen?«
»So ähnlich. Hat ein wenig gedauert. Dafür ist die Sache aber weitgehend blutlos abgelaufen.«
Ich schüttelte den Kopf. Vielleicht war Lando doch nicht so anders als Arichis. Und was war eine Festungsmauer denn noch wert, wenn man sie nur mit ein wenig Gold einreißen konnte? Ich merkte schon, im Mezzogiorno wurde nicht nur mit Schild und Speer gekämpft. Mord und Bestechung waren alltäglich. Und vor Gift würden diese Lombarden gewiss auch nicht zurückschrecken.
Nach einigen Meilen durch den Wald stießen wir wieder auf die Straße, wo ein schnelleres Vorankommen möglich war. Wir waren jetzt weit genug von Benevento entfernt und fühlten uns sicherer. Also trieben wir unsere Tiere zu einem leichten Galopp an, um so schnell wie möglich noch mehr Meilen zwischen uns und den Feind zu bringen.
Eigentlich war alles leichter abgelaufen als erwartet. Kein Wunder, dass wir freudig erregt über unseren Erfolg waren. Vielleicht sogar ein wenig übermütig, ließen deshalb die übliche Vorsicht außer Acht.
Es war kurz vor Sonnenuntergang. Die Straße verlief durch ein Wäldchen, wir bogen gerade um eine Kurve, da verstellte uns plötzlich ein Dutzend bis an die Zähne bewaffneter Reiter den Weg. Ein gewaltsames Durchkommen schien unwahrscheinlich, Flucht und mögliche Verfolgung in Richtung Benevento kaum angeraten. Es blieb nur eine Möglichkeit. Wir mussten sie von unserer Harmlosigkeit überzeugen.
»Haltet euch zurück. Ich werde mit ihnen reden«, sagte Lando und ritt auf den Anführer zu, einen graubärtigen Kerl auf einem hübsch gezäumten Rappen, der uns misstrauisch beäugte.
Woher wir kämen und wohin die Reise gehen sollte, wollte er wissen. Sie redeten in schnellem Lombardisch, von dem ich nur so viel verstand, dass Lando Gesandter irgendeines Klosters und in wichtiger Mission nach Amalfi unterwegs sei. Wir dagegen seien Kaufleute aus dem Norden, die sich ihm angeschlossen hatten.
Der Anführer zeigte sich wenig beeindruckt. Hochmütig musterte er Lando. Dann wanderte sein Blick zu uns herüber. Irgendetwas erregte seine Aufmerksamkeit, denn er bewegte seinen Gaul vorwärts, um uns näher in Augenschein zu nehmen. Besonders Thore starrte er neugierig ins Gesicht. Da dämmerte es mir. Thores hellblonder Bart und die kleinen Silberringe, die er hineingeflochten trug, ließen ihn wenig lombardisch aussehen.
Kaum begann der Kerl zu ahnen, dass wir Normannen waren, da traf ihn auch schon Fulkos tödliche Klinge im Nacken und erstickte jeden Warnruf, bevor er ihn ausstoßen konnte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Fulko die Waffe gezogen hatte.
Aber wir nahmen uns ein Beispiel an ihm und gaben den Gäulen die Sporen. Bevor die Männer des Spähtrupps begriffen, wie ihnen geschah, waren wir mitten unter ihnen und verwundeten weitere drei aufs schwerste. Dann waren wir durch ihre Absperrung und galoppierten mit Lando im Gefolge wie die Furien die Straße hinunter.
Einige der Lombarden setzten uns nach, aber da ihr Anführer blutend im Staub lag, blieben die Übrigen unschlüssig zurück, bis auch die Verfolger es merkten und uns ziehen ließen.
*
Als wir in Melfi eintrafen, merkte ich gleich, dass etwas anders war. Was genau, hätte ich nicht sagen können. Vielleicht war es das Bedürfnis der Menschen, für einen Abend die Bedrohung, die über der Stadt hing, zu vergessen. Oder es war die unbekümmerte Ausgelassenheit eines bezaubernden Maiabends, so angenehm warm und voller Versprechen auf eine samtene Nacht. Über den Dächern flirrten Schwalben in der untergehenden Sonne, in den Gassen war allerhand Volk unterwegs, aus den Schenken perlte fröhliches Gelächter. Von den winzigen Gärten, in denen die Melfitanos ihr eigenes Gemüse zogen, duftete es nach Blüten und Kräutern, und selbst die Wachen am Burgtor schienen freundlicher als sonst.
Mit einem Mal entdeckte ich Roberts Grauschimmel im Burghof. Daneben stand Bjarni, der auf den großen Rollo einredete, und Ragnar, der mit hochmütiger Miene an der Mauer lehnte und geringschätzig in den Staub spuckte. Mein
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