Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
nicht sagen. Fast hatte ich den Eindruck, dass sie es inzwischen bereute, mitgekommen zu sein. Dennoch begleitete sie Lando ohne Murren, als Robert sie beide wieder auf Kundschaft schickte.
Wir blieben zurück und warteten, striegelten die Pferde, schärften die Waffen, vertrieben uns die Zeit mit Würfelspielen oder lagen im Gras und starrten in den Himmel. Gerlaines Beklemmung hatte auch auf meine Stimmung abgefärbt. Ich begann mir zu wünschen, wir wären zurück in Melfi. Fulko und die anderen Christen waren stiller als sonst, und Reynards sorgenvolle Miene war ebenfalls nicht dazu angetan, meine Laune zu verbessern. Bisher war alles gutgegangen. Aber würde Loki uns zu guter Letzt noch einen schlimmen Streich spielen? Heißt es nicht, dieser göttliche Halunke ist schön von Gestalt, aber unbeständig und böse von Gemüt? Nur zu gern narrt er die Menschen mit hinterlistigem Spiel. Unruhig wartete ich auf Gerlaines Rückkehr.
Dann endlich, nach zwei Tagen, tauchten die beiden wieder auf und berichteten, was sie vorgefunden hatten.
Wie es aussah, stellte sich die Sache schwieriger dar als gedacht. Der kleine Ort Sant’Angelo, der sich um das Heiligtum gebildet hatte und vom Geld der Pilger lebte, lag auf dem langgestreckten, schmalen Grat eines hohen Berges. Von da oben hatte man, wie Gerlaine erzählte, einen unglaublichen Blick über das Meer und die weite Bucht von Siponto. Wohl eben deshalb stand da ein alter Wachturm, wie auf so manchen Bergspitzen in der Nähe des Meeres, hauptsächlich, um vor maurischen Piraten und Sklavenjägern zu warnen.
Der Turm war von einer Mannschaft byzantinischer Soldaten besetzt. Das Heiligtum selbst dagegen wurde von Lombarden bewacht, die allerdings mehr Ordnungshüter als Krieger waren. Zugang zur Bergspitze gab es nur über zwei schmale Straßen, die sich in engen Kurven hinaufschlängelten. Die südliche war die am meisten begangene und stieg von Siponto aus über einen steilen Hang hinauf, unten mit Olivenbäumen bepflanzt, ansonsten trocken und kahl. Vom Wachturm würde unser Anmarsch schon von weitem zu sehen sein. Dazu kam, dass die Straße zuletzt auch noch durch den ganzen Ort führte, denn der Eingang des Heiligtums lag auf der anderen, der Nordseite, und etwas unterhalb der Bergkuppe. Für einen Überraschungsangriff war dieser Weg also nicht geeignet.
»Vielleicht nachts?«, fragte Rainulf.
Gerlaine schüttelte den Kopf. »Bei Sonnenuntergang verschließen sie das Heiligtum. Und das Felsportal ist aus bronzebeschlagener Eiche.«
»Und die andere Straße?«, fragte Robert.
Der nördliche Weg verliefe durch das enge Valle Carbonara, berichteten sie. Dort sei der Hang noch steiler, aber grün und zum großen Teil bewaldet. Die Straße führe außer Sichtweite des Turms und ohne die Ortschaft zu durchqueren direkt zum Eingang der Höhle.
Robert nickte befriedigt. »Und wie sieht es innen aus?«
Lando antwortete zögerlich, als fiele es ihm schwer, die Geheimnisse des Heiligtums preiszugeben.
»Die Himmlische Basilika liegt tief im Berg«, erklärte er. Sie heiße so, weil sie nicht von Menschenhand, sondern allein von Gott geschaffen war. Eine ziemlich geräumige Grotte mit Bänken für die Gläubigen. Im Hintergrund der Altar mit einem mächtigen Kreuz. Daneben der Schrein des Erzengels Michael, angeblich dort, wo er den Menschen zum ersten Mal erschienen war. »Aber bevor man in die Grotte gelangt, muss man durch mehrere Felsgalerien«, fuhr er fort. »Manche tragen alte lombardische Inschriften an den Wänden, sogar Bilder von Heiligen.«
»Ist es nicht finster dadrinnen?«
»Nein. Überall brennen Fackeln, außerdem ist die Basilika selbst mit wohlriechenden Kerzen erleuchtet. Trotzdem ist es nicht stickig, denn von irgendwoher scheint frische Luft in die Grotte zu strömen.«
»Ein Ausgang? Vielleicht nach oben zum Dorf?«
»Ich weiß es nicht, Herr. Nachsehen konnten wir nicht. Man ist dort nie allein.«
»Wie steht es mit den Wachen?«
»Nur am Portal und innen am Eingang zur Grotte. Immer jeweils zwei oder drei. Sie sind mit Schwert und Speer bewaffnet, tragen aber keine Rüstungen.«
»Und was gibt es an Wertvollem?«
Auf diese Frage hatten alle gewartet. Sie rückten näher und spitzten die Ohren. Lando zögerte wieder. Doch dann gab er sich einen Ruck.
»Am Eingang zur Basilika steht ein großer Opferstock, der von einem Mönch bewacht wird. Jeder spendet, wozu er imstande ist. Das kann bei manchen eine ganze Menge sein. Manche Pilger
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