Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
bewegen sich nur auf Knien vorwärts, viele entzünden Kerzen, hinterlassen eine Bitte oder legen ein Gelübde ab. Kranke werden von einem Priester mit der stilla, dem wundertätigen Sickerwasser, gesegnet, das von den Wänden tropft. Familien tragen ihre Kranken auf Bahren ins Heiligtum, um sie genesen zu lassen.«
»Schön«, unterbrach Robert ihn etwas ungeduldig. »Aber meine Frage zielte in eine andere Richtung.«
Lando schlug die Augen nieder. »Ich weiß, Herr.«
Endlich zählte er auf, was sie an Schätzen zu Gesicht bekommen hatten, besonders die vasa sacra, die heiligen Gerätschaften für die Messe, alles aus massivem Gold, wie es schien, aber auch Kreuze und Leuchter aus edlen Metallen.
»Während der häufigen Messen strahlt alles im goldenen Glanz. Besonders auch die heilige Statue.«
»Eine Statue? Aus Gold?«
»Nicht sehr groß.« Er zeigte mit den Händen eine Höhe von etwas mehr als einem Fuß an. »Sie stellt den Erzengel mit einem Speer in der Faust dar. Während der Messe öffnen sie die Flügeltüren des Schreins, in dem sie steht. Wer viel gespendet hat, darf den Fuß des Engels küssen.«
Jetzt mischte Gerlaine sich ein. »Tagsüber sind immer Menschen in der Grotte, auch wenn keine Messe abgehalten wird. Ich frage mich, was bei einem Überfall geschehen könnte, wenn Panik ausbricht.«
»Wir werden Sorge dafür tragen, dass niemand zu Schaden kommt«, sagte Robert. »Soweit es möglich ist.«
»Aber es kann Unglück bringen, einen heiligen Ort zu entweihen.« Diese Worte, gerade aus ihrem Mund, beunruhigten die Männer sichtlich.
Roberts Brauen zogen sich zusammen. »Das reicht jetzt, Gerlaine!« Er funkelte auch die anderen an. »Wer schwachen Herzens ist, kann kein Reich gewinnen. Meint ihr, unsere Vorfahren hätten Land und Ehre erworben, wenn sie sich vor ein paar Heiligen gefürchtet hätten? Wenn der alte Rollo und Williame Langschwert noch lebten und euch jetzt sehen könnten, sie würden sich zu Tode lachen.«
Die Männer raunten und murmelten untereinander, beeilten sich aber vor allem, Entschlossenheit zu zeigen. Niemand sollte auf den Gedanken kommen, sie könnten feige sein, auch wenn die meisten heimlich abergläubisch waren. Man konnte dem Lebensfaden, den einem die Nornen spannen, ohnehin nicht entrinnen. Allein die Unerschrockenheit gegenüber dem Schicksal zeichnete einen rechten Kerl aus.
Rainulf kratzte sich den roten Bart. »Wir müssen überlegen, wie wir es am besten angehen. Ich nehme an, Robert, du willst wieder möglichst wenig Blutvergießen und keine Männer verlieren.«
»So ist es.«
»Das heißt«, fuhr Rainulf fort, wobei der Spott in seiner Stimme nicht zu überhören war, »wir nähern uns von Norden, überwinden einen langen, steilen Hang, ohne bemerkt zu werden, überraschen die Wache, packen die Schätze ein und machen uns davon, ohne dass die Byzantiner auch nur einen Hauch davon mitbekommen und uns den Weg abschneiden können.«
Robert musste lachen. »Ich gebe zu, das klingt nicht ganz einfach. Aber wenn es so einfach wäre, hätten andere es schon getan. Wer einen guten Einfall hat, soll jetzt sprechen.«
Alle dachten angestrengt nach. Dann begannen sie, durcheinanderzureden und sich gegenseitig mit Vorschlägen zu übertrumpfen. Doch das meiste erwies sich als unbrauchbar. Nach einer Weile nistete sich Ratlosigkeit ein, und es wurde wieder still.
Ich räusperte mich verlegen. »Wenn wir uns als Pilger verkleiden würden …« Ich hielt inne, denn ich wollte vor den anderen nichts Dummes sagen.
Robert nickte mir aufmunternd zu. »Sprich weiter.«
»Es kommen doch auch Normannen zum Schrein, wie man hört. Mehr als eine Handvoll von uns braucht es vielleicht nicht, wenn wir erst einmal im Innern sind.«
»Waffen sind nicht erlaubt«, gab Lando zu bedenken. »Am Felsportal wird man untersucht und muss sie zurücklassen. Sogar Dolche.«
»Es wäre also eine Frage, wie wir die Waffen hineinschmuggeln.« Robert starrte mich lange nachdenklich an. Dann blickte er zu Lando hinüber. »Hast du nicht gesagt, sie tragen Kranke auf Bahren hinein?«
Lando nickte.
»Werden die auch untersucht?«
»Ich glaube nicht. Sie werden durchgewunken.«
Befriedigt blickte Robert in unsere verdutzten Gesichter.
»So machen wir es. Einer von uns spielt den Todkranken. Und unter seinem Rücken verstecken wir die Schwerter. Am besten, wenn wir die Pforte kurz vor Sonnenuntergang erreichen. Dann sind nicht so viele Pilger in der Grotte.«
Er stand auf
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