Das Schwert des Normannen: Roman (Knaur TB) (German Edition)
es würde bedeuten, wir wären ab jetzt keine Einheit mehr, sondern in zwei Gruppen geteilt. Wegen einer dummen Glaubensfrage? Nicht verwunderlich, dass Roberts Miene sich verdüsterte. Er richtete sich zu voller Größe auf und musterte alle mit einem drohenden Blick, so dass die meisten, besonders die Christen, verlegen auf ihre Füße starrten.
»Auch ich wurde in unserem Dorf von einem Mönch getauft«, begann er, »und nenne mich Christ, wenn ihr wollt. Sogar Gilbert hier, auch wenn er es nicht hören will. Meine Mutter ist eine eifrige Christin und betet jeden Tag. Aber selbst sie hat uns nie erklären können, warum man seine Feinde lieben soll. Warum ein Krieger nicht kämpfen, Land erobern oder Beute machen soll. Das ist seit Menschengedenken die Bestimmung eines Kriegers. Deshalb gehe ich nach Gargano. Wer mir nicht folgen will, soll es gleich sagen und mir danach nicht wieder unter die Augen treten.«
Fulko machte ein betretenes Gesicht. Und da alle Robert liebten und seinen Zorn mehr fürchteten als den heiligen Michael, gab es nun kein Murren mehr in dieser Frage.
*
Trotz seiner Vorbehalte hatte Arichis sich bereit erklärt, uns weiterhin zu führen, unter der Bedingung, dass seine Männer schon jetzt mit Pandulfs Anteil heimkehren durften. Von der möglichen Beute eines Überfalls auf das Heiligtum wollte er nichts haben. Damit war auch Robert einverstanden gewesen.
»Ich frage mich, warum Arichis uns trotzdem hilft, wenn er so dagegen ist?«, murmelte Reynard.
Es war spät geworden, die Lagerfeuer fast schon niedergebrannt, während Reynard, Herman und ich immer noch im Schein der letzten Glut dem Wein des guten Bischofs zusprachen, anstatt uns schlafen zu legen.
»Weil Pandulf es ihm befohlen hat«, erwiderte ich.
»Aber warum verzichtet er dann auf seinen Anteil der Beute? Was wird sein Herr dazu sagen?«
Der Wein und die späte Stunde hatten mich schläfrig gemacht, für tiefsinnige Überlegungen war ich zu träge. Ich sagte einfach das Erstbeste, das mir in den Sinn kam.
»Vielleicht geht es gar nicht um die Beute.«
»Um was soll es denn sonst gehen?«, brummte Herman und betastete vorsichtig die Stelle, wo seine notdürftig zugenähte Wunde unter dem Verband lag. Den ganzen Abend schon hatte er über Schmerzen geklagt.
»Lass endlich die Wunde in Ruhe«, sagte ich. »Wie soll sie heilen, wenn du ständig daran fummelst?«
Hastig zog er die Hand weg und lehnte sich mit einem gereizten Seufzer gegen den Sattel, der ihm als Kopfstütze diente. Auch ich hatte es mir bequem gemacht und schloss einen Moment die Augen.
»Du hast recht, Junge«, hörte ich Reynard sagen. »Dem alten Fuchs geht es vielleicht gar nicht um die Beute. Ist dir nicht aufgefallen, dass Arichis uns bisher nur Kirchenbesitz hat plündern lassen? Reiche Landbesitzer hat er verschont. Und jetzt soll er gegen einen Überfall auf Sant’Angelo sein? Dass ich nicht lache. Ich bin sicher, das ist genau, was er will.«
»Warum?«
»Weil es dann einen gewaltigen Aufschrei geben wird, der durchs ganze Land geht.«
»Na und?«
»Das könnte unseren Feinden in die Hände spielen.«
»Aber gerade du wolltest doch die ganze Zeit das verdammte Heiligtum plündern, hast ständig gebohrt.«
Er nickte nachdenklich. »War vielleicht ein Fehler, und Rainulf hat recht, wir sollten es nicht übertreiben.«
»Jetzt ist es zu spät. Robert wird seinen Entschluss nicht mehr ändern.« Ich trank noch einen Schluck von dem herrlichen Wein, einem Tropfen, an den man sich wirklich gewöhnen konnte. Müde, wie ich war, zog es mich zu Gerlaine, die ein paar Schritte weiter, ganz in warme Decken gehüllt, in unserem kleinen Zelt lag. »Du machst dir zu viele Gedanken, Reynard. Gehen wir lieber schlafen.«
In den folgenden Tagen ritten wir wieder nachts und lagerten am Tage, wo immer wir Deckung fanden. Niemand sollte erahnen, wohin wir unterwegs waren. Je mehr wir uns der Küste näherten, desto karger und trockener wurde die Landschaft. Hier waren die Wälder dünner gesät, manchmal bestanden sie nur aus Krüppelkiefern und dichtem Gestrüpp. Nicht weit von unserem Ziel fanden wir eine kleine Schlucht, wo ein winziges Bächlein genügend Wasser spendete, um Mensch und Tier zu versorgen. Feuer machten wir vorsichtshalber nicht.
Seit dem Tod des Priesters, der Thores Pfeil zum Opfer gefallen war, schien Gerlaine ihre Begeisterung für den Beutezug verloren zu haben. Die Sache mit Sant’Angelo gefiel ihr nicht. Warum, das konnte sie
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