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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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es sein. Die sichere Rückkehr der Prinzessin steht über allem.«
    Von Reinenbach nahm eine geöffnete Ledermappe vom Tisch und warf sie Meris auf den Schoß. Eine Handvoll akkurat beschrifteter Blätter rutschte heraus. »Hier ist Dauras’ Akte. Alles, was wir über ihn wissen, aus seiner Zeit im Kloster und danach. Setz dich nach draußen in die Halle und studiere sie, bevor du aufbrichst. Brich heute noch auf. Mein Sekretär hat ein versiegeltes Schreiben für dich, das die Adler deinem Befehl unterstellt.«
    »Was, wenn dieser Dauras ein Lösegeld fordert? Werdet Ihr mir Mittel geben, um das Problem auch auf diese Weise zu lösen?«
    Von Reinenbach blickte missmutig drein. Er griff in eine der Schubladen seines Schreibtisches und holte eine Börse heraus. Sie landete schwer und klimpernd auf Meris’ Schoß, auf der Mappe mit dem Bericht über Dauras. »Zweihundert Goldmark, das sollte reichen«, sagte er. »Nach allem, was wir über Dauras wissen, könnte er sogar gekränkt sein, wenn erdas Gefühl bekommt, dass du ihn kaufen willst. Wenn er auf Geld aus wäre, hätte er seine Fähigkeiten längst gewinnbringend verkaufen können. Ich erwarte das überzählige Gold wieder hier in meiner Kanzlei. Zusammen mit der Prinzessin.«
    »Hat er aus demselben Stolz auch Euer Angebot abgelehnt?«, fragte Meris.
    Von Reinenbach sah sie fragend an. »Was für ein Angebot?«
    Meris geriet ins Stottern. »Ich meine, er kommt aus dem Kloster in Sir-en-Kreigen. Das unter dem Patronat des Kaisers steht. Der geheime Botendienst nimmt gern jeden Kämpfer in seine Dienste, der das Kloster aus welchem Grund auch immer verlässt. Dauras hat doch gewiss ein solches Angebot erhalten? Wenn er so gut ist, wie ihr erzählt   …«
    »Meris«, sagte von Reinenbach. »Was weißt du über den Kult des Schwertes?«
    Meris zuckte die Achseln. Sie war selbst in der Schule erzogen worden, die neben dem Tempel des Schwertes lag. Die Brüder unterwiesen die geheimen Boten des Kaisers in der Kampfkunst, das war der Preis für das kaiserliche Privileg, das dieser fremde Kult auf dem Boden des Reiches genoss.
    Aber die künftigen Kuriere lernten dort nur die Kampfkünste und nichts über die Religion. Meris musste zugeben, sie wusste kaum etwas von dem Kult, in dessen Schatten sie aufgewachsen war, und es hatte sie auch niemals interessiert.
    »Die Kampfkulte des südlichen Kontinents glauben nicht an die personifizierte Gottheit«, erklärte von Reinenbach. »Sie glauben an eine geheimnisvolle Geisterwelt, von der unsere stoffliche Welt nur ein Schatten ist. Der Umgang mit der Waffe soll den Mönchen dabei helfen, den stofflichen Leib vollkommen zu beherrschen. Und wenn sie das erreichen, so kann der reine Geist hervortreten und   … alles bewirken.
    Diese Mönche wollen durch ihre Disziplin den göttlichen Funken im Menschen selbst erwecken.«
    »Nun gut«, sagte Meris. »Es sind Ungläubige. Aber das hindert uns sonst auch nicht daran, ihre Dienste zu nutzen. Warum also nicht die Dienste dieses Dauras? Hätten wir nicht vermeiden können, dass er derart außer Kontrolle gerät, wenn wir ihn frühzeitig dem Kaiser verpflichtet hätten?«
    »Dauras war der beste von ihnen allen. Das hat sein Abt uns geschrieben, nachdem Dauras das Kloster verließ. Er beherrschte seinen Körper und seine Waffe in höchster Vollendung, und was er damit zustande brachte, galt selbst nach dem Maßstab der Mönche als übermenschlich.
    Kannst du dir vorstellen, was ein Mann wie Dauras daraus für Schlüsse ziehen mag?«
Rückblick   – 27 Jahre zuvor
    Dauras war vierzehn, als er zum ersten Mal mit scharfer Waffe und im Freikampf gegen den Abt antrat. Sie standen einander in Grundstellung gegenüber in der großen hellen Halle mit dem Holzboden, umringt von zwanzig weiteren Mönchen, die im Kreis um die beiden hockten. Der Abt hatte die »Säule« gewählt, eine offene Stellung, bei der das Schwert gerade nach oben wies.
    Dauras’ Sinne konzentrierten sich auf das hagere Gesicht neben der Klinge. Er nahm den Bart wahr, der bereits ergraut sei, wie es hieß. Dauras konnte sich darunter ebenso wenig vorstellen wie unter den Augen des Meisters, von denen die anderen Schüler sprachen   – braune Augen, die niemals ihren Fokus verloren. Für ihn waren die Augen nichts weiter als neblige Eindrücke in dem schweren Schatten, den der Schädel seines Gegenübers in Dauras’ Wahrnehmung hinterließ.Es gab Tage, an denen er über diesen Widerspruch grübelte   – dass

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