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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
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und erkannten sofort, dass ihre Vorsicht unnötig gewesen war: Eines der Ungeheuer lag am Ufer, und es war offenbar tot.
    Vorsichtig traten sie heran, das Schwert gezückt.
    Der Frauenkörper mit der locker sitzenden zweiten Haut, die aussah wie ein Kittel, lag mit verrenkten Gliedern am Ufer, der zähe Schlangenleib verschwand im Wasser. Schon von Weitem sahen sie die tiefen Schnittwunden in dem harten Leib wie von einem Schwert, und der ganze Körper war mit geronnenem Blut verkrustet.
    Als sie näher kamen, entdeckten sie Quetschungen an dem menschlichen Leib. Der Hals der Kreatur war verdreht und trug Male, als hätte der Angreifer das riesige Geschöpf aus seinem Loch gezogen und es erwürgt.
    Ratlos starrten die beiden Krieger auf den Kadaver.
    »Diese Male, sie sehen aus   …« Sobrun brach ab.
    Die Würgemale am Hals der Bestie waren blutunterlaufen, und man konnte die Abdrücke von Fingern erkennen   – wie von schmalen und verglichen mit der Kreatur lächerlich kleinen menschlichen Händen.
    »Wir dürfen uns vom Augenschein nicht täuschen lassen«, sagte Lacan. »Vielleicht war es ein anderes Schlangenwesen aus einem Nachbarloch, das hier seinen eigenen Artgenossen getötet hat.«
    Beunruhigt sah er sich um und umfasste sein Schwert fester.
    Sobrun wies auf einen runden Abdruck im Schlamm mit drei spitzen, dicht beieinanderliegenden Zehen, der nicht größer war als ein menschlicher Fuß. »Das jedenfalls sieht nicht nach einer Schlange aus.«
    Sie schauten sich weiter um und fanden weitere Abdrücke. Die Kreatur mit den drei Zehen war zu dem Wasserloch gekommen und hatte sich wieder entfernt, aber beide Male endete die Spur unvermittelt, so als wäre es ein Vogel gewesen, der davongeflogen war.
    Die Sonne wanderte über den Himmel, und der Nachmittag schritt voran. Die Dunkelheit kam früh um diese Jahreszeit.
    »Hier gibt es nichts mehr, was wir tun können«, stellte er fest. »Lass uns zu den Pferden zurückgehen.«
    Sobrun nickte. Die beiden Männer waren sich einig, auch ohne es auszusprechen: Was auch immer die Bestie aus dem Loch gezogen hatte   – es musste ein Ungeheuer gewesen sein. Doch da waren nicht nur die Abdrücke an dem Kadaver, die an gewöhnliche Hände erinnerten, sondern auch die Wunden an dem Schlangenleib: keine Stiche und Risse von Zähnen und Klauen, sondern saubere und tiefe Schnitte wie von einem Schwert, jeder einzelne von ihnen mit übermenschlicher Kraft durch die holzharte Haut getrieben.
    Sie wussten nicht, welches Geschöpf zu etwas Derartigem imstande sein sollte. Aber sie wollten auch nicht die Nacht an einem Ort verbringen, wo es sich herumtrieb.

8.11.962 – DER KAISERLICHE PALAST ZU HOROME
    H orome   – die große, die strahlende Metropole des Westens, so gewaltig, dass sie den größten Strom des Reiches aufnahm, ihn zerteilte und ihn braun und schmutzig und unter anderem Namen wieder ausschied. Im Norden der Stadt war es der Rhod, der majestätisch und scheinbar ungerührt von den Menschen an seinen Ufern durch die Ebene floss, südlich der Stadt hieß der Strom Ragnat, und es dauerte lange, bis er den Unrat der Stadt hinter sich lassen konnte.
    Im Herzen der Metropole lag eine Insel, das Samenkorn, aus dem die Stadt entsprungen war. Eine Zauberin habe dort gelebt, sagten manche, eine Priesterin Bponurs habe hier Zuflucht gesucht vor dem Ansturm der Ronurer, glaubten andere zu wissen. Inzwischen erhob sich die Insel aus dem Fluss wie eine von Menschen geschaffene Festung, so viel Stein war dort verbaut worden. Hinter den Mauern, die sich am Ufer entlangzogen, lag der Palast des Kaisers mit der Kaiserstadt, die sich um den abgeschirmten inneren Palast erstreckte und in der die Behörden des Reiches und dessen Amtsträger untergebracht waren. Edle von überall her lebten auf der Insel des Kaisers, als Höflinge und Gesandte in ihren Stadthäusern, neben dem zentralen Tempel und den Turnier- und Festspielplätzen.
    Um die Insel herum, auf beiden Seiten des Flusses, war Horome zu einem Moloch angewachsen, mit zahllosen Stadtvierteln, von denen jedes seine eigene Natur und seine ganz eigenen Bewohner hatte. Eine Fahrt durch die Stadt kam einer Expedition gleich, die zu fremden Völkern und Ländern führte. Der Arm des Kaisers, so hieß es, reiche im Rest des Reiches weiter als in seiner eigenen Hauptstadt   – und wie man wusste, reichte dieser Tage der Einfluss des Kaisers im Reich nicht mehr weit.
    Aruda Callindrin Beahad, die Kaiserin des Omukchar,

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