Das Schwert des Sehers
Schlangenleib zuckte und wand sich. An Gebran schrie und zappelte.
Lacan versuchte, mit dem Schwert in Richtung des Gegners auszuholen. Aber schon zog ihn der ganze Stahl an seinem Leib wieder in die Tiefe.
»Das Seil, Herr!«
Sobruns Stimme.
Lacan sah aus den Augenwinkeln, wie etwas auf das Wasser klatschte. Mit der freien Hand fasste er zu und tauchte hinab. Er fühlte das gedrehte Hanfseil zwischen den Fingern, ertastete eine wohlgeschnürte Schlinge. Er legte sie sich um den Körper, zog sie fest und schwamm unter Wasser dorthin, wo die Bestie sein musste.
Dann stach und hieb Lacan blind vor sich durch die trübe Brühe. Die Klinge stieß auf Widerstand, und Lacan zog die Schneide entschlossen daran entlang.
Das schlammige Wasser, das ihm in Mund und Nase drang, veränderte sich. Etwas Scharfes mischte sich in den modrigen Geschmack. Das Blut pochte ihm in den Schläfen.
Da spürte er einen festen Griff unter den Achseln und wurde weggezogen. Er paddelte mit den Beinen, kam an die Oberfläche. Schnappte nach Luft.
Sobrun stand am Ufer, zwei weitere Männer hinter ihm. Sie hielten das Seil und zogen Lacan heraus. Das Wasser in der Mitte des Tümpels war aufgewühlt, aber von an Gebran und dem Ungeheuer war nichts mehr zu sehen.
»Wartet!« Lacan prustete und spuckte Wasser. »Gebt Seil nach. Ich will tauchen.«
»Ihr seid verrückt … Herr!«, rief Sobrun.
»Gib mir Seil!«
Der Zug unter seinen Achseln ließ nach. Lacan holte tief Luft und tauchte unter. Er schwamm mit aller Kraft, tiefer und tiefer. Eine stechender Schmerz fuhr ihm in die Ohren. Wie tief war dieses Wasserloch?
Er fühlte vor sich eine Bewegung. Er tastete mit den Fingern, stocherte vorsichtig mit dem Schwert.
Da spürte er die harte Haut der Bestie an der Hand. Er hieb zu, doch die Klinge drang nicht sehr tief ein. Lacan umklammerte das Schwert, damit es ihm nicht aus der Hand gerissen wurde. Doch das Wasser wurde immer schmutziger, und der Griff wurde glitschig.
Hände glitten über seine Schulter. Lange Finger tasteten über sein Kettenhemd. Haare strichen ihm über das Gesicht. Das war nicht an Gebran!
Die Hände packten fester zu, etwas schob sich hinter seine Beine. Eine Kraft, viel größer als die eines Menschen, riss ihn nach vorn und zog ihn tiefer in den morastigen Schlund herein. Lacan spürte den Zug des Seils unter den Achseln – seine Gefährten hielten dagegen!
Doch vergebens.
Die fremden Arme schlossen sich um ihn mit unerbittlicher Kraft. Selbst die Haare des Wesens schienen sich um seinen Kopf legen zu wollen, wie um ihn zu erwürgen.
Lacan winkelte den rechten Arm an, so gut er es im Griff seines Gegners vermochte. Er stieß die Klinge nach oben, dorthin, wo die Haare ihn umwallten. Ein kurzer Ruck – dann wurde Lacan fortgeschleudert.
Er konnte sein Schwert nicht mehr festhalten.
Hilflos schoss er durch das Wasser, brach durch die Oberfläche und landete im Ufergras. Das Wasser des Tümpels schien zu kochen. Fontänen spritzten empor, dunkel, schwarzbraun.
Wieder spürte er, wie Hände an seinem Kettenhemd zerrten.
Seine Gefährten zogen ihn aus dem Wasser. Er blieb liegen wie ein gestrandeter Fisch und schnappte nach Luft.
Nach einer Weile bemerkte er, dass ihm kalt wurde. Er hob leicht den Kopf und blickte zu dem Tümpel. Das Schlangenwesen trieb auf dem Wasser. Lacans Schwert steckte in der Brust des menschenartigen Oberkörpers.
Auch die Leiche von Ritter an Gebran stieg wieder empor.
Seine Reisegefährten begruben ihn beim ersten Tageslicht im weichen Grund neben der Straße, während Lacan dasaß, sich von dem Kampf in dem Tümpel erholte und Kräfte sammelte für die weitere Reise.
Er hoffte, dass diese Reise ihn bald endgültig fortführen würde von den Schrecken, die Gotors Berge über alles brachten, was in ihrem Schatten lag.
Es ging schon auf die Jausenstunde zu, als die Reisegefährten aufbrachen. Die Mittagszeit nahte, und immer noch hingen Nebelschwaden über dem Sumpf, wie Wolken, die herabgefallen waren, so schwer und grau, dass sie nicht mehr am Himmel schweben konnten.
Durch die Lücken erblickten die Reisenden im Westen die Bergkette, dunkle Wälder am Fuß der Hänge, darüber die kahlen Schroffen, jetzt überall schneegefleckt zu einem Muster von Schwarz und Weiß. Rings umher schälte sich der Sumpf aus dem Dunst, eine Landschaft voll niedrigem Buschwerk, durchzogen von fleischigem Gras und Röhricht. Überall in dem flachen Kessel sah man Wasserlöcher blitzen,
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