Das Schwert - Thriller
kleinen Zimmern zum Gebet, geschützt vor neugierigen Blicken. Zu anderen Zwecken trafen sie sich an geheimen Orten, die nur durch ein Labyrinth stinkender Gassen zu erreichen waren oder durch Gänge tief unter der Erde.
Wie zum Beispiel dieser Gebetsraum in einem am Ende einer Sackgasse gelegenen Wohnhauskomplex namens Haij Fatima. Die ganze Wohnung war das Hauptquartier einer Zelle der kleinen, aber gefährlichen Organisation mit dem schlichten Namen al-Dschaisch : Die Armee. Die Wände waren dünn, man hörte die Geräusche aus den Wohnungen in den oberen Stockwerken – Babygeschrei, ein streitendes Ehepaar, das Radio eines Teenagers. Von der Straße drang das Knattern eines Mopeds herein, dann das Rufen von Jungen, die nach dem Unterricht in der Koranschule nach Hause rannten. Ein paar hatten bereits einen Ball aus Lumpen gefunden und kickten ihn zwischen sich hin und her.
Neun Männer hockten im Kreis auf dem billigen Teppichboden, mit dem der Raum ausgelegt war. Ihre äußereErscheinung wirkte ärmlich, doch anders als bei so vielen, die ebenfalls in Armut lebten, war ihre Kleidung fleckenlos, der Bart sauber gestutzt, der Kopf frisch geschoren. Männer wie diese übten sich in Bedürfnislosigkeit, gleich dem Propheten, der auf einer Strohmatte schlief, sich von einer Handvoll Datteln täglich ernährte und seinen Durst mit Wasser stillte. Sie wollten sein wie er. Er war ihr Vorbild in allem. Ihre Verehrung für ihn war grenzenlos. Sie hatten feierliche Eide geschworen, seine Ehre mit ihrem Leben zu verteidigen.
Ein Mann stach unter den anderen hervor. Er war gekleidet wie sie, er trug Haar und Bart wie sie und hielt wie sie eine Gebetskette aus Plastik in der rechten Hand. Und doch war er anders. Man sah auf den ersten Blick, dass er ihr Anführer war. Es zeigte sich in seinen Augen, in dem Zug um seinen Mund, in seiner aufrechten Haltung, in der Ruhe, die er ausstrahlte. Seine Finger spielten nicht mit den Perlen, wie es bei einigen anderen im Kreis zu beobachten war. Er rutschte nicht unruhig hin und her. Seine Reglosigkeit glich der marmornen Starre eines Standbilds. Allein seine Augen bewegten sich, und sie bewegten sich langsam, musterten der Reihe nach jeden Einzelnen, als wäre er einer der beiden Engel, die kommen, um den Verstorbenen im seinem Grabe zu befragen.
Er zählte vierzig Jahre, und sein Gesicht trug die Spuren eines Lebens als Kämpfer für al-Qaida in Afghanistan und Irak. Er hieß Mohammed wie der Prophet, und sein Familienname lautete al-Masri: Der Ägypter. Mohammed der Ägypter. Jedermann. Ein ganz einfacher Name. Jedoch kein einfacher Mann.
Ungeachtet seines Namens war Mohammed al-Masri nicht irgendjemand, wie Dokumente, seit Jahrhunderten im Besitz seiner Familie, bezeugten. Er war ein lebender Nachkomme des letzten großen Kalifen aus dem Geschlechtder Abbasiden, den Herrschern aus Tausendundeinernacht, deren Palast in Bagdad einst das Staunen der Welt gewesen war. Mohammeds Vorfahre wurde von den Mongolen getötet, als sie 1258 Bagdad eroberten. Man ließ ihn, eingerollt in einen Teppich, von Pferden zerstampfen, so dass die abergläubischen Eroberer von sich sagen konnten, sie hätten nicht das Blut eines Königs vergossen.
Nur einer aus der Familie des Kalifen, ein Knabe, Achmad, war dem Morden und der Zerstörung entkommen. Achmad floh aus der brennenden Stadt des Friedens und machte sich auf nach Kairo, mit sich führte er Dokumente, den Nachweis seiner Herkunft. Diese selben Schriftstücke hatte al-Masri von seinem Vater erhalten, kurz vor dessen Tod vor einigen Jahren. Darunter befand sich ein von Achmad handschriftlich verfasstes Testament, worin er seinen Sohn zum nächsten Kalifen bestimmte und danach dessen Söhne in direkter Linie, bis endlich Allah das Ende der Welt beschließt.
In seinen Augen und denen seiner Getreuen war Mohammed ein wahrer Führer des Islam, welcher berufen war, das Kalifat wiederzuerrichten und den letzten Dschihad gegen den ungläubigen Westen auszurufen. Er würde zu Ende bringen, was der Prophet im siebten Jahrhundert begonnen hatte, nämlich sämtliche Nationen unter der Herrschaft des einen Gottes zu vereinen.
Eins fehlte ihm noch, ein bestimmter Gegenstand, den er in seinem Besitz haben musste, bevor er es wagen konnte, aus dem Schatten zu treten, sich zu offenbaren und die Muslime der ganzen Welt aufzurufen, ihn in seiner heiligen Mission zu unterstützen. Er wusste seit Jahren von der Existenz dieses besonderen Gegenstands, und seit
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