Das Schwert - Thriller
kurzem glaubte er auch zu wissen, wo er zu finden sein könnte. Er schloss die Augen, murmelte ein kurzes Gebet und öffnete sie wieder. »Gott sei gelobt«, begann er. »EinundsechzigTote gab es bei den Explosionen heute. Jeder unserer Märtyrer hat Ungläubige mit sich genommen. Die Ungläubigen sind in die Dschahannam hinabgestürzt, den tiefsten Abgrund der Hölle. Die Märtyrer sind aufgefahren ins Paradies, wo sie Wein trinken, der nicht berauscht, und sie ergötzen sich an Jungfrauen mit einer Haut wie goldener Honig.«
»Allahu akbar!« , riefen die Versammelten, »Gott ist größer.« Einer der Märtyrer, der sechzehnjährige Hamid, war von ihrer Zelle rekrutiert worden, dem harten Kern der Bewegung. Für seine Familie war gesorgt. Al-Masris Gefolgsleute mochten bettelarm aussehen, sie trafen sich vielleicht in einer schäbigen Kammer in einem Slum, sie setzten vielleicht Besitzlosigkeit gleich mit Gottgefälligkeit, aber die Organisation hatte wohlhabende Gönner, fromme Männer und Frauen, die es sich leisten konnten, eine auf lange Sicht angelegte Terrorismuskampagne zu finanzieren. Der Koran fordert die Gläubigen auf, in den Heiligen Krieg zu ziehen, aber nicht nur das, er verlangt auch, dass sie ihre irdischen Güter hergeben, um anderen zu ermöglichen, sich dem Kampf anzuschließen.
»Aber Gott erwartet mehr von uns als dies. Die Amerikaner, die Juden, die Kreuzfahrer allerorten werfen immer noch ihren Schatten auf die Gläubigen. Hier einige auszumerzen und einige dort ist nicht genug. Die Zwillingstürme zu zerstören war nicht genug. Wir müssen einen Schlag führen, der sie in die Knie zwingt. Wir müssen ihre Städte dem Erdboden gleichmachen, so wie Gott Sodom und Gomorrah vernichtet hat. Wir müssen ihre Könige und Präsidenten in das Reich Satans stürzen. Bald wird die Zeit gekommen sein, meine Freunde. Ihr werdet es mit eigenen Augen sehen.«
Er lächelte, und wenn er das tat, verwandelte ein Strahlen den strengen Ernst seines Gesichts. Es war nicht das Lächeln eines Politikers. Es war ohne Falsch. Es entwaffnetemit seiner Offenheit, seiner ungeheuchelten Aufrichtigkeit. Mohammed al-Masri war eben deshalb gefährlich, weil er nicht das Wesen eines Politikers besaß. Er würde niemals Kompromisse machen, nie verhandeln, nie versprechen, was er nicht auch halten konnte.
»Jetzt«, sagte er, »erstattet mir Bericht.«
Einer nach dem anderen legten die Anwesenden Rechenschaft ab über die Arbeit der Abteilung, der sie vorstanden, nicht allein in Imbaba, sondern verstreut über ganz Kairo. Al-Masris Zelle war der Kopf und setzte sich zusammen aus seinen Leutnants, zu denen auch sein jüngerer Bruder gehörte. Für alle anderen Mitglieder der Bewegung war er ein Schatten. Keiner seiner Gefolgsleute, ausgenommen diese acht Männer, hatte je sein Gesicht gesehen. Außerhalb dieses engen Kreises kannte man ihn nur als Mohammed. Seine wahre Identität war ein wohlgehütetes Geheimnis.
Raschid bemerkte sie zuerst. Die schleichend sich ausbreitende Stille. Das Kind hörte auf zu schreien, aber das war kaum befremdlich. Das Radio wurde abgestellt, aber wer wollte es der Mutter des Halbwüchsigen verdenken, wenn sie irgendwann die Geduld verlor. Der Wortwechsel des streitenden Paares verstummte, aber kein Streit geht endlos weiter.
Raschid lauschte, und ihm fiel auf, dass nichts Neues die eben entstandenen Lücken in der Geräuschkulisse füllte. Ihm wurde bewusst, dass er schon seit längerem kein Moped mehr gehört hatte und auch nicht das Geschrei von spielenden Kindern.
Er hob die Hand und unterbrach den Vortrag seines Nebenmannes.
»Seid mal still«, sagte er. »Hört ihr was?«
Nichts.
Sie schauten sich an. Totenstille ringsumher. Alle wussten, was das bedeutete.
»Schnell!«, befahl al-Masri. »Nach nebenan. Rasch!«
Ohne Panik begaben sich die Acht der Reihe nach in das angrenzende Zimmer, das wie ein normaler Wohnraum eingerichtet war. Raschid lief zu dem Fenster mit vorgelegtem Laden, das zur Straße hinausging, und entfernte die Metallscheibe vor einem Guckloch, durch das er nach draußen spähen konnte.
»Polizei!«, zischte er.
Eine Abteilung bewaffneter Polizisten und Sicherheitskräfte hatte in der Sackgasse Position bezogen. Sie waren mit Maschinenpistolen und Panzerwesten ausgestattet. Raschid sah, dass sie im Begriff waren loszuschlagen.
Einer seiner Gefährten hatte derweil eine vorgesetzte Wand geöffnet, holte Gewehre aus der dahinter verborgenen Nische und
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