Das Schwert - Thriller
verteilte sie.
Plötzlich begann einer der Polizisten zu feuern. Die Salve perforierte den Fensterladen, und eine Kugel traf einen Mann namens Mustafa in die Stirn. Die anderen warfen sich zu Boden. Draußen brach die Hölle los. Der hölzerne Laden wurde von dem Geschosshagel regelrecht pulverisiert. Bald flogen die Kugeln durch eine leere Fensterhöhle und rissen den Putz von den Wänden.
Raschid kroch zum Fenster, hob die Kalaschnikow über den Sims und sandte einhändig etliche Feuerstöße in die Gasse hinaus. Ein Aufschrei antwortete und noch einer. Das in den Raum gerichtete Dauerfeuer stockte. Im Haus schlich ein Mann zur Wohnungstür und schoss blind durch die dünne Spanplatte, die sich in Staub auflöste. Seine Kugeln fanden ihr Ziel in den Körpern des Trupps, der im Flur auf das Kommando zum Stürmen der Wohnung gewartet hatte. Drei Männer starben, andere wurden in Arme und Beine getroffen. Der Mudschahed jagte mit jeder Salve ein ganzes Magazin durch den Lauf und machte nur Pause, um nachzuladen.
Währenddessen trat der Mann, der die Gewehre ausgegeben hatte, wieder vor die Nische und nahm neun Sprengstoffgürtel heraus, bestückt mit Plastiksprengstoff und per Funk mit einem Zünder verbunden. Raschid und der zweite Mann feuerten ununterbrochen, um die Polizisten in Schach zu halten; die anderen erhoben sich, schlüpften aus der Galabija, legten die Gürtel um und kleideten sich wieder an. Den Zünder platzierten sie oben auf ihrem straff gewickelten Turban.
Al-Masri schickte sich an, ebenfalls einen Gurt umzulegen, aber Daud, sein Stellvertreter, fiel ihm in den Arm.
»Du nicht. Du bist der Anführer der Frommen. Du hast eine Mission zu erfüllen. Jeden Moment werden sie anfangen, Handgranaten zu werfen. Du und dein Bruder, ihr müsst verschwinden. Wir übrigen tun das, was getan werden muss. Beeilt euch.«
Raschid war dazu bestimmt, Kalif zu werden, sollte sein Bruder sterben. Al-Masri schickte sich in das Unvermeidliche. Er trat zu seinem Bruder und wies ihn an, das Gewehr seinem Nebenmann zu geben. Raschid hatte eine strenge Schule durchlaufen. Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, Mohammed den Gehorsam zu verweigern.
»Wir müssen fliehen«, erklärte al-Masri, »sonst ist alles verloren.«
Die Hand seines Bruder ergreifend, zog er ihn mit sich, zurück in den Gebetsraum.
Im Wohnzimmer verstummte das Gewehrfeuer. Daud hatte sich den weißen Turban vom Kopf gerissen und hielt ihn aus dem Fenster, als Zeichen der Kapitulation.
»Wir kommen heraus«, rief er. »Wir geben euch unsere Waffen. Hier.«
Die sechs Männer warfen ihre Gewehre aus dem Fenster. Sie landeten auf dem Lehmboden der Gasse. Eine Wolke Schmeißfliegen erhob sich träge und sank wieder herab.
Einer nach dem anderen, die Hände auf dem Kopf, folgten die Männer ihren Waffen und stiegen über die Fensterbrüstung nach draußen. Männer in Panzerwesten erwarteten sie, die Waffe im Anschlag. In Sekundenschnelle waren sie eingekreist. Die Polizisten drängten heran, um sie zu verhaften, und in diesem Moment betätigten alle sechs gleichzeitig den Zünder.
Auf engem Raum entfaltet selbst ein einzelner Sprengstoffgürtel eine verheerende Wirkung. Als die Terroristen ins Paradies eingingen, wurde die Gasse und alles, was sich darin befand, von der Gewalt der Explosion zermalmt. Es gab keine Überlebenden, nur wenige der Opfer waren überhaupt noch als Menschen zu erkennen. Das Dröhnen hallte durch die ganze riesige Stadt.
Jack Goodrich hörte es auf seinem Weg zum Buchhändler und schauderte. Seine Frau Emilia hörte es durch die erzitternden Fensterscheiben ihres Büros. Ihrer beider Tochter Naomi hörte es in der Schule.
6
Der Engel des Todes
Esbekija
Kairo
Später am selben Nachmittag
Um halb vier langte Jack in der kleinen, im Viertel Esbekija gelegenen Buchhandlung an. Er stellte seinen Fiat in dem Parkhaus ab, das man auf dem Gelände der alten, im Jahr 1977 abgebrannten Oper errichtet hatte, und ging zu Fuß weiter in Richtung Maidan Ataba.
Man war gut beraten, beim Gehen auf die Löcher und Risse im Pflaster zu achten. Dieser Tage kam er nur aus zwei Gründen noch hierher: um bei Mehdi Mussa Bücher zu kaufen und wenn er Naomi zu einer Vorstellung des Puppentheaters begleitete, das sich an einer Ecke der alten Gärten von Esbekija etabliert hatte und regen Zulauf fand. Einst hatten die Gärten es an Schönheit mit jedem der Parks von Paris aufnehmen können, doch im Lauf der Jahre waren sie auf Grund von
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