Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
des alten Mannes glitt kurz zu mir und Hugo, und auch die anderen Männer sahen uns an.
Diego wechselte ins Deutsche und stellte uns vor. Er sprach betont langsam. Ich verneigte mich. Der alte Mann erwiderte die Geste.
»Ihr könnt mich Al Hakam nennen«, sagte er. »Mein vollständiger Name wäre zu kompliziert.« Er zeigte auf den Tisch, an dem er auf Kissen gesessen hatte. »Bitte, nehmt Platz. Esst und trinkt mit uns.«
Die Männer, die mit ihm am Tisch gesessen hatten, sprangen auf und ließen sich an anderen Tischen nieder. »Soweit ich weiß«, sagte Al Hakam, als er sich mit einer erstaunlich geschmeidigen Bewegung setzte, »ist es bei euch üblich, dass Männer und Frauen gemeinsam essen, auch wenn Fremde dabei sind?«
Ich nickte.
»Dann wollen wir es im Rahmen der Gastfreundschaft ebenso halten.« Er sah über meine Schulter. »Wird der junge Mann uns nicht beehren?«
Ich drehte mich um. Hugo stand immer noch an der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt, die Mundwinkel trotzig nach unten gezogen.
»Nein«, sagte Diego an meiner Stelle. »Verzeiht seine Unhöflichkeit, Al Hakam, aber er ist jung und hat noch nicht verstanden, dass nicht jeder, der anders denkt als er, ein Feind sein muss.«
»Ich verstehe.« Al Hakam sah Hugo lange an. Nach einer Weile senkte mein Sohn den Blick.
Der alte Mann wirkte zufrieden. Er winkte einem Sklaven zu, der uns Tee servierte. Dann aßen wir. Ich benutzte nur die rechte Hand, so wie ich es gelernt hatte, und achtete darauf, dass meine Fußsohlen nach hinten zeigten.
Die Sklaven tischten immer mehr Pfannen und Teller auf. Das Bankett schien kein Ende nehmen zu wollen. An den Neben tischen redeten und lachten die Männer miteinander, so als hätten sie vergessen, dass Fremde unter ihnen waren. Al Hakam unterhielt sich mit Diego, selten mit mir. Sie sprachen über Politik und Menschen, die ich nicht kannte. Erst als der letzte Teller abgeräumt war und wir uns die Hände und das Gesicht in Schüsseln mit Rosenwasser gewaschen hatten, sah Al Hakam mich an.
»Erzähl deine Geschichte«, forderte er mich auf.
Diego stand auf, setzte sich zu den anderen Männern und übersetzte, was ich sagte.
Als ich geendet hatte, drehte Al Hakam nachdenklich seine Teetasse zwischen den Fingern. »Was tun wir nicht alles im Namen Allahs.« Seine Stimme war leise. Er schüttelte den Kopf, als versuche er zu verscheuchen, was ihm gerade durch den Kopf ging. »Dieser Mann, von dem du sprichst, Jakob das Schwein, ist mir bekannt. Er verbringt die meisten Winter hier, um Waren zu kaufen, die er dann in Europa verkauft. Im Sommer kehrt er das um. Seine Freunde findet man bis in die höchsten Kreise – in beiden Welten.«
»Ist er jetzt hier?«, fragte ich.
Al Hakam nickte. »Er besitzt ein Haus neben der Grabkirche.«
Ich schluckte, als mir klar wurde, wie nahe ich ihm bereits gekommen war. »Was ist mit den Kindern?«
»Er hatte sehr viele Sklaven dabei. Ich wusste, woher sie stammten. Die Geschichte des Kreuzzugs hat sich bis nach Damaskus herumgesprochen. Die meisten …«
»Wo ist Hugo?«, unterbrach Diego ihn plötzlich.
Ich fuhr herum. Neben der Tür stand nur noch ein Sklave. Diego fragte ihn etwas, der Junge antwortete unter zahlreichen Verbeugungen.
»Er hat ihn rausgelassen«, sagte Diego.
»Verzeiht, Herr.« Auch ich lief zur Tür. Diego tauschte einige Worte mit Al Hakam und folgte mir. Wir liefen durch das Tor und über den Platz, hinaus aus der Zitadelle.
»Er wird ihn umbringen«, keuchte ich.
»Wir wissen nicht einmal, ob Konrad dort ist.«
Ich hoffte, dass er es nicht war, und dies aus mehr als nur einem Grund.
Der Weg zur Grabkirche erschien mir länger als zuvor. In den Straßen sah ich nur wenige Menschen. Es war kühler geworden und dunkel.
Wir holten Hugo nicht ein. Als wir atemlos auf dem Platz vor der Grabkirche anlangten, war er nicht zu sehen.
»Welches Haus ist es?«, fragte ich zwischen kurzen Atem stößen.
»Ich weiß es nicht. Klopf überall an. Du rechts, ich links.«
Ich hämmerte gegen die erste Tür, blieb jedoch nicht stehen, sondern lief direkt zur nächsten. Als ich gegen die klopfte, öffnete sich die erste, und ein alter Mann trat heraus. Er sah, was ich tat, schüttelte den Kopf und rief etwas. Es klang unfreundlich.
Die nächste Tür wurde nicht geöffnet, auch die danach blieb zu.
»Madlen!«, hörte ich Diego plötzlich von der anderen Seite rufen. »Hier!«
Ich drehte mich um und sah, wie er im Inneren eines Hauses
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