Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Raum mit jedem Kapitel und jeder Enthüllung an Komplexität anhäuft, fängt Smith mit Schlichtheit in seinen perfekt strukturierten Seiten und Panels weitgehend ab. Passend zur Noir-Stimmung, gönnt Smith sich und Rasl überdies eine Vielzahl filmischer Einstellungen und lässiger Posen in dieser Reihe, in der selbst ein Whiskey-Etikett entscheidend sein kann. Die filmische Attitüde könnte RASL am Ende sogar dabei helfen, noch vor dem bereits seit gefühlten Ewigkeiten für eine Verfilmung vorgesehenen Bone auf die Leinwand zu kommen: Wie Bone , ist auch RASL schon für eine Film-Adaption optioniert worden, und zwar von Wigram Productions/Warner Bros., die sich zum Beispiel für Guy Richies Sherlock Holmes -Blockbuster verantwortlich zeigten.
Im Comic indes gelingt Smith der Spagat zwischen ambitioniertem Science-Fiction-Werk, versponnenem Verschwörungs-Thriller und coolem Neo-Noir-Krimi bereits zu jeder Zeit – in Wort und Bild. Keine Rückblende zu Tesla, kein Flashback zu Rasls Liebesleben vor der Entdeckung des Drifts, kein Szenenwechsel zwischen den Parallelwelten und kein Schlenker in der Handlung können den routinierten Smith oder seinen genauso abgezockten Protagonisten aus der Ruhe bringen.
RASL lebt von seinem erwachsenen Ansatz, seiner grandiosen Atmosphäre, Smith’ meisterhaftem Storytelling – und von seiner Stimmigkeit, die all dem Seltsamen, Surrealen und Spekulativen jederzeit die Stirn bietet. Denn trotz der vielen zum Teil ganz schön abgespaceten Komponenten und relativ gewagten Theorien, die Smith da in einen Topf geworfen hat, stimmt das Gesamtbild, derweil die rasante Geschichte ihren Leser fortwährend mitreißt. Wie überragend und erfrischend anders RASL wirklich ist, zeigt sich spätestens, wenn man die sperrige Serie mehr als einmal und dann am besten am Stück liest – und das Ganze von Mal zu Mal tatsächlich noch besser wird.
Superstar Jeff Smith, der eine Rückkehr in die Welten von RASL im Übrigen nicht ausschließt, erweitert mit diesem außergewöhnlichen Science-Fiction-Comic-Thriller zwischen den Dimensionen sein prestigeträchtiges Portfolio um eine weitere Perle, die ihm in dieser Qualität sicherlich jeder zugetraut hätte – aber eben nicht in dieser Form , und schon gar nicht mit diesem abgefahrenen Neo-Noir-Mix mit Lichtgeschwindigkeit.
Christian Endres
BRIAN K. VAUGHAN/FIONA STAPLES
SAGA 1
image, Berkeley 2012 · 144 Seiten · $ 9,99 (US-Import)
Um den Titel »Beste neue US-Serie 2012« stritten im vergangenen Jahr eigentlich nur zwei Kandidaten mit voller Ernsthaftigkeit und durchgehender Qualität – und lieferten sich dabei ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den fantastischen Genres: Conan the Barbarian von Brian Wood, Becky Cloonan, James Harren und Co. und Saga von Brian K. Vaughan und Fiona Staples. Da Conan the Barbarian zwar eine sagenhaft gute, mutige Neudefinition von Robert E. Howards Barbaren, letztlich aber doch irgendwo »nur« eine weitere sehr freie Adaption der Originalgeschichte »Königin der Schwarzen Küste« ist, kann man den Titel der besten neuen Serie wohl ohne schlechtes Gewissen Saga geben. Verdient ist es allemal, und angesichts des thematischen Schwerpunkts dieses Jahrbuchs sei es dem Vertreter der schon erwähnten Science-Fiction-Offensive des in dieser Hinsicht über sich selbst hinauswachsenden image-Verlages einfach von Herzen gegönnt.
Autor Brian K. Vaughan hat aber auch wahrlich ein goldenes Händchen: Ob die von ihm mitgestaltete TV-Sensation Lost oder solch von der Kritik gefeierte Comics wie Y – The Last Man über den letzten Mann auf Erden, die Polit-Superhelden-Symbiose Ex Machina oder die unvergessliche Irakkrieg-Parabel Die Löwen von Bagdad – die Qualität von Vaughans bisherigen Arbeiten steht außer Frage, und in den letzten Jahren wurde der 1967 in Cleveland geborene Autor im Comic-Bereich durchaus schmerzlich vermisst, während er sich um Projekte bei Film und Fernsehen kümmerte.
Die Erwartungen an Vaughans Rückkehr zum Comic und seine neue Serie Saga waren entsprechend groß – und Vaughan enttäuscht sie nicht.
Denn sein so schlicht betiteltes Science-Fiction- bzw. Science-Fantasy-Abenteuer ist dermaßen gut, dass das Warten auf das nächste US-Heft jedes Mal von Neuem eine endlose Qual ist. Okay, am Ende wirkt Saga schon ein bisschen wie Star Wars , wenn George Lucas sein Universum im Hier und Heute erfunden und es möglichst erwachsen, realistisch und pornografisch geplant hätte.
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