Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
erfunden worden, und einen besseren wird man dafür auch kaum finden. Denn dieser so hochambitionierte Animationsfilm riecht dermaßen nach Kunsthochschule, dass man das akademische Geraune, das aus den heiligen Sälen auf die Flure dringt, weit hinten auf der Tonspur zu hören glaubt. Das hehre Motto: Erst, wenn es quälend dröge ist, ist es wirklich gut.
Ganz Europa wird von einem superschnellen U-Bahnnetz verbunden, Freiheit und Mobilität für alle. Erbaut hat es der finstere Ivan Bahn, der nebenbei auch noch fleißig an der totalen Gedankenkontrolle mithilfe des Shampoos Dangst bastelt. Seine Tochter Nina hat ganz eigene Vorstellungen, und das kleine Arbeiterlicht Roger wird zum Spielball der Mächtigen im grauen Europa. Und »grau« ist sehr wörtlich zu nehmen, denn in Metropia versinkt alles in dieser Unfarbe, sie durchwabert die Bilder wie digitaler Smog, nein, in dieser Welt möchte man wirklich nicht leben. Die Köpfe der Menschen sind zu groß, die Bewegungen ungelenk, die Stimmen sind verlangsamt und emotionslos, die Dialoge steif und bedeutungsschwanger kryptisch, und im Hintergrund läuft eine Reality-TV-Show, in der Asylanten darum kämpfen, wer in Europa bleiben darf, und wer mittels Katapult zurück ins Meer geschossen wird. Nein, diese Welt möchte man nicht mal neunzig Minuten lang ertragen. Eine Fahrt mit einer (echten) U-Bahn ist weit interessanter.
Bernd Kronsbein
MISFITS
UK seit 2009 · Darsteller: Nathan Stewart-Jarrett, Iwan Rheon, Lauren Socha, Antonia Thomas, Robert Sheehan
★★★★✩✩
Die fünf Jugendlichen aus Misfits tragen schon knallbunte Kostüme, bevor sie ihre wunderlichen Fähigkeiten bekommen. Allerdings sind es nicht die fantasievollen, herrlich unpraktischen Entwürfe von Kirby & Co., sondern die orangenen Overalls des britischen Community Servive. Denn diese fünf Halbstarken haben ordentlich Mist gebaut und wurden zu ein paar Hundert Stunden Sozialarbeit verurteilt. Dann schlägt der Blitz ein. Und wenn so ein göttliches Strafgericht zur irdischen Gerichtsbarkeit hinzukommt, sollte man sich wohl auf einiges gefasst machen.
In Misfits bekommen die Betroffenen »Kräfte«, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer persönlichen Geschichte stehen. Kelly kann plötzlich Gedanken lesen, aber was sie da vor allem über sich selbst erfährt, ist wenig angenehm. Simon wird ab und zu unsichtbar – seine Umgebung kann ihn praktisch nicht mehr wahrnehmen –, was seinen latent perversen Neigungen wunderbar in die Karten spielt. Curtis kann zwar die Zeit zurückdrehen, aber der Moment seines Lebens, in dem er alles vergeigte, wird ihn trotzdem weiter verfolgen. Auf Alisha reagieren alle Männer, die sie berührt, sexuell ziemlich aggressiv – man kann sich ausmalen, was das für Folgen hat. Und in Nathan ist zwar auch der Blitz gefahren, aber seine Kräfte bleiben ein Mysterium, dafür schwatzt er sich in einer Intensität um Kopf und Kragen, die auch schon an Superkräfte erinnert.
Hier ahnt man schon, dass es den Machern der Serie weniger um die schrillen Kämpfe zwischen Schurken und Helden in Latex geht, sondern um gute alte Sozialkritik im Gewande einer interessanten Genre-Story. Aber nicht zu viel – zum Glück. Denn im Fokus stehen die fünf »Helden«, die sowohl mit ihrer sozialen Situation als auch mit ihren plötzlichen Superkräften umgehen müssen. Und wie sie das tun, da bleibt einem gerne mal der Mund offen stehen. So viel Schnauze und Herz hat es selten in einer Serie gegeben, manchmal muss man sich festkrallen, um nicht vor Lachen (oder auch vor Schreck und Entsetzen) vom Sofa zu fallen. Misfits zeigt eindrucksvoll, wie intelligent man Genre-Stoffe im Fernsehen angehen kann – und ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass England in Sachen Qualitätsserien keiner etwas vormacht, auch nicht so gehypte US-Edelschmieden wie HBO oder AMC.
Bernd Kronsbein
PARANORMAL ACTIVITY 4
USA 2012 · Regie: Henry Joost, Ariel Schulman · Darsteller: Katie Featherston, Kathryn Newton, Stephen Dunham, Matt Shively, Alexondra Lee
★✩✩✩✩✩
Es ist schon bemerkenswert, mit welch offen zur Schau gestellter Chuzpe die Macher dieser Reihe es immer wieder schaffen, aus gar nichts das denkbar meiste herauszuholen. Seitdem Oren Peli mit dem ersten Film der Serie vor fünf Jahren einen Überraschungshit landete, der aus der Budgetnot eine Tugend und das Found-Footage-Format für einen recht effektiven kleinen Schocker voller Jumpscares nutzbar
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