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Das sechste Herz

Das sechste Herz

Titel: Das sechste Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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welche Beweise oder Indizien es gibt und wie sie darauf kommen, dass ausgerechnet Mark etwas mit der Sache zu tun hat. Ich zapfe inzwischen meine Quellen an und versuche, die Sprechstundenhilfe zu erreichen. Vielleicht rufe ich auch Anna noch einmal an. Dann komme ich zu dir.«
    »Gute Idee.« Das Rumoren in Laras Magen flaute langsam ab. Die Aussicht darauf, aktiv werden zu können, wirkte sich positiv auf ihre überreizten Nerven aus.
    »Dann lass uns nicht länger zögern. Schreib alles auf, was du erfährst. Ich bin spätestens in einer halben Stunde bei dir.«
    Nachdem Jo aufgelegt hatte, sah Lara sich in ihrer Küche um. Sie hatte während des Telefongesprächs die gesamte Spülmaschine ausgeräumt und die Gläser poliert, ohne es bewusst wahrzunehmen. Das Handy fühlte sich heiß an, so fest hatte sie es ans Ohr gepresst.
    Ihre Finger zitterten, als sie die Nummer wählte. Hoffentlich war Ralf Schädlich im Dienst.
    *
    Mit weit geöffneten Augen schlich der Mann an den kleinen Holzhäuschen entlang. Die funkelnden Lichter der Auslagen blendeten ihn, und das von überall heranbrandende seichte Gedudel rief ein permanentes Flimmern in seinem Kopf hervor.
    Der Weihnachtsmarkt auf dem Augustusplatz würde nur noch eine gute Woche geöffnet sein, und diese Tatsache schien die Touristen in Scharen herbeizulocken. Überall drängelten und schoben sich Leute vorwärts, es gab kein Durchkommen.
    Normalerweise mied er solche Menschenansammlungen, weil sie ihn verrückt machten, weil sie in seinem Gehirn ein heilloses Durcheinander anrichteten. Es begann stets mit einem Summen wie von einigen Hundert Bienen, das sich schnell zu einem wilden Brausen verdichte, welches schließlich in einem Hurrikan endete. Tausende verwirrter Vögel flatterten in seinem Schädel hin und her, und die an die Innenseiten des Kopfes schlagenden Flügel verursachten ihm körperliche Schmerzen.
    Aber heute Abend ging es nicht anders. Er hatte mehrere Sediat – eigentlich ein rezeptfreies Mittel gegen Schlafstörungen – eingeworfen, die das Fortissimo in seinem Schädel zu einem Piano dämpften. Es war zwar noch immer da, beeinflusste jedoch nicht mehr sein gesamtes Denken. Und denken würde er müssen und zwar angestrengt.
    Die gestrickte Mütze verursachte ein Jucken auf dem Kopf, und wieder und wieder fuhren die Finger unter den Rand und scharrten. Seine Stirn würde nachher ganz rot und zerschrammt aussehen, aber absetzen durfte er das kratzige Ding nicht.
    Er hatte den Tipp bekommen, sein Äußeres zu verändern. Man suchte nach ihm, und obwohl die Gefahr, hier inmitten des Gewühls entdeckt zu werden, gering war, durfte er kein Risiko eingehen. Seit einigen Tagen ließ er sich einen Bart wachsen, der ihm mittlerweile das Aussehen eines AlmÖhis verlieh. Wenn ihm im Spiegel seine wild dreinschauenden Augen aus dem Gestrüpp entgegenleuchteten, erkannte er sich am Morgen manchmal selbst nicht. Handschuhe und ein Schal, der über den Mund gezogen war, komplettierten die Verkleidung. Niemand würde in ihm den erkennen, der er noch vor Kurzem gewesen war.
    Ein Kind mit einer Riesenportion Zuckerwatte rempelte ihn an und entfachte das Brausen in seinem Kopf neu. Am liebsten hätte er dem Balg einen kräftigen Tritt verpasst, aber das würde zu lautem Geplärre führen, was wiederum die Eltern auf den Mann mit dem Bart aufmerksam gemacht hätte. Ein kleiner, wie unabsichtlich wirkender Stoß gegen den Oberarm musste leider reichen. Das Balg schien den Schubs nicht einmal bemerkt zu haben und schwenkte fröhlich seine Zuckerwatte. Kurz wallte der Zorn in ihm auf, dann fing er sich wieder. Es war schwierig, unter diesen Umständen die Beherrschung nicht zu verlieren.
    Darauf bedacht, möglichst unauffällig zu sein, kämpfte er sich durch das Getümmel. Seine Armbanduhr zeigte fünf vor sieben.
    Er musste sich beeilen. Sein Auftrag war eindeutig. Die Stimme hatte zwar nicht gesagt, dass er auf dem Weihnachtsmarkt suchen sollte, aber hier im Gewühl der Menschenmassen schien es ihm am einfachsten, ein passendes Subjekt auszuspähen, ohne dass er jemandem auffiel.
    *
    Lara klappte den Deckel zu und drückte den Spülknopf. Sie war jetzt innerhalb von zwanzig Minuten das dritte Mal auf der Toilette gewesen. Im Spiegel über dem Waschbecken blickte ihr eine hohläugige Frau entgegen, deren Augenringe heute Nachmittag noch nicht da gewesen waren. Sie ließ kaltes Wasser über ihre Handgelenke laufen und wartete, bis die Frische in ihrem Kopf

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