Das sechste Herz
sich in der Maßregelvollzugsanstalt umzuhören, ob und wie Studer mit Geroldsen Kontakt gehabt haben könnte oder ob es Möglichkeiten für Magnus Geroldsen gab, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Hätte er nicht gleich angerufen, wenn er etwas herausgefunden hätte? Hätte, hätte … Hatte er aber nicht. Irgendwie wurde Lara das Gefühl nicht los, dass Mark zu Hause ernsthafte Probleme hatte.
Das Klingeln des Handys ließ sie zusammenschrecken. Erst nachdem die atemlose Stimme am anderen Ende mehrere unzusammenhängende Sätze hervorgesprudelt hatte, gelang es Lara, sie zu identifizieren. Das schien der Tag der Vorahnungen zu sein. Anscheinend wusste ihr Gehirn immer schon vorher, wer sich gleich per Telefon melden würde. Und erst jetzt erfasste sie den Sinn der Worte. Marks Frau Anna hatte gesagt:
»Lara? Sie müssen mir helfen! Die Kripo hat Mark festgenommen.«
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»Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört.« Lara tigerte in der Wohnung auf und ab, marschierte von der Küche ins Arbeitszimmer und wieder zurück. Im ersten Moment hatte sie geglaubt, sich geirrt zu haben, und erst als Anna ihren Satz lauter wiederholte, war ihr klar geworden, dass sie mitnichten einem Missverständnis aufgesessen war. »Anna hat mich aber dann sehr schnell vom Gegenteil überzeugt. Mit so etwas macht man schließlich keine Scherze.«
»Also noch mal von vorn.« Jo sprach ruhig und bestimmt, was das Tohuwabohu in Laras Kopf ein wenig zügelte. »Vor einer Viertelstunde hat Marks Frau dich angerufen und dir eröffnet, dass Mark festgenommen worden sei und dass es um den Schlachter-Fall ginge. Die Information hatte sie von seiner Sprechstundenhilfe Annemarie, die mit Anna telefoniert und ihr mitgeteilt hat, dass die Kripo ihn in der Praxis abgeholt hätte. Warum sie ihn mitgenommen haben, konnte sie nicht sagen. Mark sei nicht auf dem Handy erreichbar.«
»So ungefähr.«
»Das ist alles sehr seltsam. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was das alles soll. Wenn das wirklich so abgelaufen ist, kann es sich doch nur um einen Irrtum handeln.«
»Was denn sonst!« In Laras Bauch rumorte es noch immer. Gleich nachdem sie Marks Frau versichert hatte, dass sie sich unverzüglich um die Sache kümmern würde, war die Übelkeit in ihr hochgekrochen. Das Gefühl, sich übergeben zu müssen, hatte sich erst zurückdrängen lassen, als sie einen Schluck Cognac – gleich aus der Flasche – getrunken hatte. Den brennenden Geschmack noch im Mund, hatte Lara zuerst versucht, Mark zu erreichen, und ihm, als er nicht ranging, eine Nachricht auf Band gesprochen. Zu allem Übel hatte sich in dem Augenblick auch noch Jens Hohnstein gemeldet und gefragt, wo denn der Artikel bliebe. Ihre gestammelten Erklärungen, es habe neue Entwicklungen gegeben, die sie noch einarbeiten wollte, schienen ihn nicht wirklich zufriedengestellt zu haben.
In ihrer Aufregung war ihr dann nichts Weiteres eingefallen, als Jo anzurufen, der sie mit einem erfreuten »Na, du bist wohl neugierig, was ich am Elsterflutbecken gemacht habe?« empfangen hatte.
Seine ruhige Stimme holte Lara jetzt in die Gegenwart zurück. »Ich weiß, dass das jetzt schwer ist, aber versuche, dich zu konzentrieren. Wir machen einen Schlachtplan, wie wir erstens herausfinden, was da wirklich los ist, und zweitens Mark am besten helfen können. Kann man diese Annemarie anrufen?«
»Ich habe die Telefonnummer der Praxis.« Laras Hände sortierten mechanisch Geschirr aus der Spülmaschine in die Schränke, während sie ihm lauschte. Jo dachte immer so vernünftig.
»Gut, gib sie mir, ich versuche es dann gleich bei ihr. Du bist zu aufgeregt dafür. Kannst du dir vorstellen, warum Marks Frau gerade dich angerufen hat?«
»Nun sicher doch, weil wir drei eh schon mit dem Fall zu tun hatten. Am letzten Novemberwochenende waren wir beide doch sogar bei ihm zu Hause, um über die Sache zu reden, weißt du nicht mehr?«
»Stimmt. Weitere Informationen hatte Anna wahrscheinlich auch nicht, oder?«
»Ich glaube nicht. Sie war total aufgelöst.«
»Das ist auch kein Wunder. Stell dir mal vor, dein Mann wird durch Kripobeamte von der Arbeit weggeholt …« Jo machte eine kurze Pause, und Lara konnte ihn schnaufen hören, ehe er fortsetzte. »Ich schlage vor, wir beide versuchen, parallel Informationen zu bekommen. Du könntest doch diesen Schädlich anrufen. Er ist mit dem Fall in Eilenburg befasst und weiß bestimmt mehr. Außerdem scheint er dich zu mögen. Wenn du ihn erreichst, frag ihn,
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