Das sechste Herz
in der Praxis eingesteckt haben? Dass er regelmäßig zur Sprechstunde kam, kann doch deine Sprechstundenhilfe bezeugen! Außerdem müsste sich doch nachweisen lassen, dass es aus deiner Praxis stammt …«
»Das waren auch meine Argumente. Leider stehen im Küchenschrank von Studers Haus exakt die gleichen Gläser wie bei mir, sagt die Kripo.«
»Das ist ja perfide! Was für ein Albtraum!« Lara hatte ihre Stimme wiedergefunden. Und ihren Glauben an Mark. Bei der Sache musste es sich um ein äußerst geschickt eingefädeltes Komplott handeln. »Ich verstehe nicht, warum Studer das alles hätte tun sollen?«
»Ich auch nicht. Vielleicht wollten er und sein Komplize mich zum Sündenbock machen?«
»Das ist das Einzige, was einen Sinn ergibt. Aber warum gerade dich?«
»Es muss mit Magnus Geroldsen zu tun haben. Ich war in seinen Fall involviert, ich bin noch heute regelmäßig einmal die Woche in Obersprung bei meinen Patienten. Auch Studer war dort, und ich habe ihn nach seiner Entlassung betreut.«
»Was wirft dir denn die Kripo nun konkret vor?«
»Dass ich in Studers Haus gewesen bin, obwohl ich das bestreite. Mehr fürs Erste nicht.«
»Das reicht ja wohl! Was bilden die sich eigentlich ein?« In Laras Schläfen rauschte das Blut.
»Aus ihrer Sicht ist das alles logisch.«
»Wie geht es denn nun weiter?«
»Ich soll mich für Befragungen zur Verfügung halten.«
»Mark, du bist in Schwierigkeiten. In argen Schwierigkeiten. Mach dir nichts vor, aber die Vorwürfe werden sich nicht so einfach in Luft auflösen.« Da war er wieder: der pragmatische Jo. Lara bewunderte seinen kühlen Kopf. Aber sicherlich herrschte in seinem Innern auch nicht solch ein Gefühlswirrwarr wie in ihrem.
»Also, jetzt mal ehrlich, wie blöd muss ein Täter denn sein, um seine Daten, Notizen und ein Glas mit Fingerabdrücken am Tatort zurückzulassen? Das schreit doch förmlich nach einer Inszenierung!«
»Schon, aber für die Polizei sind das alles Beweise, dass du dort warst. Die Theorie vom Sündenbock hingegen klingt nach einer Schutzbehauptung. Ich würde mir schnellstens einen Rechtsanwalt nehmen.«
Lara sah Mark müde nicken, aber er antwortete nicht.
»Hast du Anna angerufen?«
»Ja. Bevor ich mich ins Auto gesetzt habe.«
Wieso war er nicht nach Hause gefahren, sondern hierher? Etwas stimmte da nicht, aber anscheinend wollte er nicht darüber reden. Lara fragte nicht nach. Wenn Mark ihr Details erzählen wollte, würde er das irgendwann sicher tun. »Wie geht es denn nun weiter? Willst du hier übernachten oder wieder zurückfahren?«
»Morgen Vormittag kommen wieder Patienten. Ich muss zurück.«
»Ich will dich nicht bevormunden, aber du siehst erschöpft aus. Bleib heute Nacht hier. Du könntest dich morgen ganz früh auf den Weg machen.«
»Und womöglich in einen Stau geraten … Nein, Lara, lass gut sein. Ich fahre nachher.«
»Wollen wir wenigstens noch etwas essen gehen?« So war Jo. Die Welt konnte zusammenbrechen, er jedoch dachte jederzeit ans körperliche Wohlbefinden. »Du siehst aus, als hättest du seit Tagen nichts Ordentliches mehr zwischen die Kiemen gekriegt! Lasst uns ins Stefano gehen! Wir müssen uns auch noch einen Schlachtplan zurechtlegen, wie wir dir helfen können.«
»Danke, lieb gemeint. Aber ich habe keinen Hunger.«
»Trink wenigstens deinen Tee.« Lara deutete auf die Tasse, die noch immer unberührt vor Mark stand. »Soll ich ihn noch mal heiß machen?«
»Nein, ist schon in Ordnung so.« Mark setzte an und trank alles in einem Zug.
»Dann rufst du uns aber wenigstens an, wenn du wieder in Berlin bist. Anna wird sich bestimmt auch schon Sorgen machen.«
»Kann schon sein.« Da war ganz entschieden etwas faul. Wenn etwas Schlimmes passierte, trieb es einen doch zu den Menschen, die man liebte, von denen man sich Beistand und Unterstützung versprach. Warum also war Mark nicht zu seiner Frau gefahren, sondern nach Leipzig? Und noch etwas rumorte in Laras Kopf: Sie hatten es nicht angesprochen, aber wer hatte das Ganze inszeniert? Frank Studer konnte es ja nicht gewesen sein. Wer wollte Mark die Schuld in die Schuhe schieben?
43
Sechstes Schlachter-Opfer identifiziert!
Die gestern im Elsterflutbecken gefundene Frauenleiche ist die seit Sonntag vermisste neunzehnjährige Laura M. aus Leipzig!
Unter der Schlagzeile prangte ein körniges Foto einer jungen Frau. Sie trug einen Pferdeschwanz und lächelte schüchtern in die Kamera. Laras Hand griff wie automatisch nach der
Weitere Kostenlose Bücher