Das Sexprojekt: Wie ich (mich) auszog, die beste Liebhaberin der Welt zu werden (German Edition)
nicht gleich nach seinen Empfindungen, er wird eine Zeit brauchen, um wieder zu sich zu kommen. So eine Massage ist eine intensive Erfahrung und braucht seine Zeit, verarbeitet zu werden.« Mist. Das kommt mir ja nun gar nicht gelegen, ich brenne darauf, L. auszuquetschen.
Die Tür geht auf und L. geht nackt und frisch geduscht zu dem Stuhl, auf dem seine Klamotten liegen. Er ist ganz entspannt und während er sich seine Sachen zusammensucht, wundere ich mich, wie ungeniert er sich vor einer fremden Frau bewegt.
»Ich habe noch eine blöde Frage«, aber das muss ich jetzt wissen. »Als du seine Beine auf deine Schultern genommen hast und sie ein bisschen nach hinten gedrückt hast, ich hätte da bestimmt, also, ist es schon einmal passiert, dass jemand pupsen musste?« Ruth lacht, »Worüber sich Frauen immer so Gedanken machen. Ja, das ist schon passiert. Ist ja nur natürlich. Siehst du, deswegen massiere ich Frauen zum Beispiel immer mindestens eine halbe Stunde länger, damit sie sich entspannen und sich keine Gedanken mehr machen. Das fällt ihnen viel schwerer als Männern.«
Verstehe. »Und wissen deine Eltern, was du tust?« L. sieht mich strafend an. Aber hey, wer weiß, wann ich jemals wieder einer Tantramasseurin Fragen stellen kann. Ruth nimmt es mir nicht krumm. »Fast«, antwortet sie. »Ich massiere sogar meine Mutter.« L. und ich starren sie an. » Wie – also tutti completti, die ganze Mutter?«, frage ich nach, aber Ruth wiegelt ab. »Nein, nein, ohne Intimmassage. Das ist auch der Teil von meinem Job, von dem sie nichts weiß.« Puh. Dann drückt sie uns noch Visitenkarten in die Hand, bedankt sich bei uns beiden für unser Vertrauen und wir stehen wieder auf der Straße, L. und ich. Schweigend gehen wir zur U-Bahn-Station. Mist. Jetzt habe ich ganz vergessen, nach der Bedeutung des Big Draw zu fragen. Nach dem, was ich bis jetzt gesehen habe, hat es wahrscheinlich nichts mit Modellbau zu tun. Wir stapfen mit gesenkten Gesichtern vor uns hin.
»Ruth hat gesagt, ich soll dich nicht gleich ausfragen«, sage ich und hoffe, dass L. dem widerspricht und sich sofort mit mir über Erfahrungen, Einschätzungen und Ruth austauscht. Stattdessen sagt er: »Gescheite Frau.« Bald platze ich. Als wir in unserem Viertel ankommen, frage ich: »Und jetzt?« L. legt seinen Arm um mich: »Jetzt wären ein Bier und eine Zigarette schön.«
Wir gehen in unsere Kneipe um die Ecke und bestellen. Nach dem zweiten Bier halte ich es nicht mehr aus. »Und? Wie fandest du’s?« L. überlegt. »Es war nicht total scheiße, wie ich das befürchtet hatte. Es war sogar wunderschön. Bis zu einem gewissen Punkt. Ab dem war es dann total scheiße.«
»Und warum?«, will ich wissen. »Es war unangenehm. Ich kam mir plötzlich vor, als wäre ich bei einer Prostituierten.«
Und wie fand er Ruth? »Sympathisch. Ich wusste gar nicht, dass sie nackt war, das habe ich erst irgendwann später gemerkt. Und wie war es für dich?«, fragt L. zurück. »Eifersüchtig?«
»Nein«, antworte ich. »Ich war ganz neidisch. Und ich habe mich gefreut für dich. Bis es nur noch um deinen Lingam ging, das fand ich dann schal.«
»Ja«, stimmt L. zu, »vorher war es AUCH sexuell, dann war es NUR NOCH sexuell.«
Wir trinken an diesem Abend noch einige Biere, endlich dürfen wir ja auch über den Goldfaden lachen, was wir dann noch ausgiebig tun.
Als am nächsten Tag, es ist Sonntag, das Telefon klingelt, weiß ich: Das ist Jana. Oder Anne. Oder Beate. Die wollen jetzt wissen, wie alles genau war. Vor ein paar Tagen haben wir noch miteinander gewitzelt, Vermutungen angestellt, über Ruths Foto gelacht und uns ausgemalt, was passieren würde. Sie erwarten vermutlich eine lustige Geschichte, Zynisches über Eso-Ruth und Tantra-Tanten, wie L. kichern musste, weil er kitzelig ist, oder ich abgebrochen habe, weil ich für so einen Mist nicht 195 Euro zahlen will. Damit kann ich leider nicht dienen. Ich habe nur die Goldfaden-Geschichte anzubieten, aber sonst – sonst ist es keine Geschichte. Eher eine Intimität, die nicht taugt für einen Weiberstammtisch. Sonst bin ich da nicht so, aber etwas, das wir als ehrlich und schön empfinden, ist keine Lachnummer. Die Wahrheit ist: Wir haben eine sehr sympathische Frau kennengelernt, die innerhalb relativ kurzer Zeit, nämlich in zweieinhalb Stunden, durch ihre Berührungen und ihren Körperkontakt eine große Nähe und Vertrautheit aufgebaut hat. Die die Kunst des Anfassens zum Beruf hat und das
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