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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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Rand des Dorfes gegen die Gasse –, du hättest mich jetzt angesehen.
     
    Die beiden Frauen befühlten die Wäsche. Die alte sagte: »Sie ist zu naß, wart mit dem Bügeln.« Die jüngere sagte: »Sie ist bügelrecht.« Sie begann die Wäsche in den Korb zu legen. Die alte sagte: »Sie ist viel zu naß.« Die jüngere sagte: »Sie ist bügelrecht.« – »Zu naß«, sagte die alte. Die jüngere sagte: »Jeder nach seiner Art. Du bügelst gern trocken, ich bügel gern naß.« In fliegender, fast verzweifelter Eile wurden die Seile geleert. Und draußen das Dorf in Alarm! Diejüngere Frau rief: »Da, horch doch nur!« Die alte sagte: »Ja, ja.« Die junge rief, und der Klang ihrer Stimme war zum Zerspringen hell: »Horch, horch!« Die alte sagte: »Ich bin noch immer nicht schwerhörig. Schieb mal den Korb her.«
     
    In diesem Augenblick trat aus dem Haus ein SA-Mann in den Hof. Die jüngere sagte: »Wo kommst denn du auf einmal wieder her, gestiefelt und gespornt. Aus dem Wein doch nicht.«
     
    Der Mann schrie: »Seid ihr denn verrückt, ihr zwei Weiber? Jetzt bei der Wäsche! Man muß sich schämen. Im Dorf hat sich einer versteckt aus Westhofen. Wir suchen alles ab.« Die jüngere rief: »Ach, etwas ist immer. Gestern der Erntedank und vorgestern für die Hundertvierundvierziger, und heute für den Flüchtling zu fangen und morgen, weil der Gauleiter durchfährt. Na, und die Rüben? Na, und der Wein? Na, und die Wäsche?« Der Mann sagte: »Hält’s Maul.« Er stampfte auf: »Warum ist denn das Tor nicht zu?« Er stampfte durch den Hof. Nur der eine Torflügel stand auf; um das Tor ganz zu schließen, mußte man den anderen auch zurückklappen und dann beide ineinanderfügen. Dabei half ihm die alte Frau. Wallau, Wallau, dachte Georg.
     
    »Anna«, sagte die alte Frau, »mach den Riegel zu.« Sie fügte hinzu: »Voriges Jahr um die Zeit hab ich das noch gekonnt.« Die Jüngere murmelte: »Ich bin ja da.« Sie stemmte sich.
     
    Grad war der Riegel zu, da kam aus dem Lärm des Dorfes ein abgesonderter neuer Lärm: das rasche knattrige Aufschlagen von Stiefeln und dann ein Getrommel gegen das eben geschlossene Tor. Die jüngere Frau zog den Riegel zurück. Ein paar Pimpfe liefen herein, sie riefen: »Lassen Sie uns mal rein, wir sind in Alarm, wir suchen. Im Dorf hat sich einer versteckt. Los mal! Lassen Sie uns rein!«
     
    »Halt, halt, halt«, sagte die jüngere Frau. »Ihr seid hier nicht daheim, und du, Fritz, geh mal in die Küche, die Suppe ist fertig.«
     
    »Wirst sie wohl reinlassen, Mutter. Du mußt. Ich werd sie schon bei mir rumführen.«
     
    »Wo wirst sie rumführen? Bei wem?« rief die Frau. Die alte Frau packte ihren Arm mit erstaunlicher Kraft. Und die Pimpfe, der Fritz voran, setzten einer hinter dem andern über den Waschkorb weg, und schon hörte man ihre Pfeifchen aus der Küche, aus dem Stall und aus den Stuben. Ping, jetzt gab es auch Scherben.
     
    »Anna«, sagte die alte Frau, »nimm dir doch das alles nicht so zu Herzen. Lern von mir. Es gibt Sachen, die kann man nicht ändern. Solche Sachen muß man dann ertragen. Anna, hörst du! Anna, ich weiß schon, du hast den schlechtesten von meinen Söhnen zum Mann bekommen, den Albrecht. Seine erste Frau war auch danach. Das war hier immer ein Saustall. Du hast daraus einen Bauernhof gemacht. Und der Albrecht, der früher bloß auf Taglohn in den Weinberg ging, wenn’s ihm gepaßt hat, und ein Stück vom Jahr rumfaulenzte, der hat auf einmal allerlei dazugelernt. Und die Kinder von seiner ersten Frau, dem Weibsstück, die hast du ganz verändert, wirklich als ob du sie noch mal neu geboren hättest. Bloß, du kannst nichts ertragen. Das sind aber jetzt solche Sachen, die muß man aushalten. Sie gehn dann nämlich vorüber.«
     
    Die jüngere Frau erwiderte etwas ruhiger, in ihrer Stimme war nur noch die Trauer über ein Leben, dem trotz aller wahrhaft furchtbaren Anstrengungen der Segen versagt blieb, wenn auch freilich nicht die Hochachtung: »Ja, aber dann ist das gekommen.« Sie deutete auf das Haus, in dem es pfiff von den frechen spitzigen Pfeifchen, und auf den Lärm hinter dem Tor. » Das ist mir dazwischengekommen, Mutter. Und die Kinder, die ich in Ordnung gebracht hab und Blut dabei geschwitzt, die sind wieder genau das freche Kroppzeug geworden, das sie eigentlich von daheim aus sind, und der Albrecht ist einfach wieder das alte Biest von einem Mann. Ach!«
     
    Sie stieß mit dem Fuß ein herausstehendes Scheit in den

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