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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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Menschen solcher Berufe eigen sind, die etwas aus andern herausholen müssen: kranke Organe, Beichten, Geständnisse.
     
    Overkamp saß abseits, auf einem Stuhl zusammengekrümmt, und rauchte. Scheinbar überließ er Pelzer seinem Kollegen. »Kurzer Ausflug«, sagte Fischer. Er besah sich Pelzer, dessen Oberkörper leise zu schwanken begann. Dann besah er sich seine Akten. »Pelzer, Eugen, geboren 1898 in Hanau. Stimmt?« – »Ja«, sagte Pelzer leise, sein erstes Wort seit der Flucht. »Daß Sie sich aber zu solchen Streichen hergeben, Pelzer, ausgerechnet Sie, ausgerechnet von einem Heisler so was aufreden zu lassen. Sehen Sie, Pelzer, das sind jetzt genau sechs Stunden fünfundfünfzig Minuten her, daß der Füllgrabe mit dem Spaten losgeschlagen hat. Mensch, Mensch, seit wann habt ihr euch denn das ausgeknobelt?« Pelzer schwieg. »Haben Sie denn nicht gleich gemerkt, Pelzer, daß das eine Galgenidee war? Haben Sie denn nicht versucht, das den andern auszureden?« Pelzer erwiderte leise, denn jede Silbe stach ihn: »Ich hab ja nichts gewußt.« – »Was, was«, sagte Fischer, immer mäßig und leise. »Füllgrabe gibt das Zeichen und Sie rennen. Ja, warum sind Sie denn losgerannt?« Pelzer sagte: »Alle sind.« – »Eben. Und Sie wollen nicht eingeweiht gewesen sein? Aber Pelzer!« Pelzer sagte: »Nein.« – »Pelzer, Pelzer«, sagte Fischer. Pelzer hatte das Gefühl, das ein todmüder Mensch hat, wenn ein Wecker rasselt, und er will ihn überhören. Fischer sagte: »Als der Füllgrabe auf den ersten Wachtposten schlug, stand der zweite Wachtposten bei Ihnen; in derselben Sekunde, wie vereinbart, warfen Sie sich auf den zweiten Wachtposten.« – »Nein«, rief Pelzer. »Bitte?« sagte Fischer. »Ich warf mich nicht.« – »Ja, Entschuldigung, Pelzer. Bei Ihnen, Pelzer, Ihnen groß geschrieben, stand der zweite Wachtposten, da warfen sie sich, Heisler, sie klein geschrieben, und – und der – na, Wallau, in derselben Sekunde auf den zweiten Wachtposten, der bei Ihnen gerade stand, wie vereinbart.« – Pelzer sagte: »Nein.« – »Was, nein?« – »Daß es vereinbart war.« – »Was vereinbart?« – »Daß er bei mir gestanden hat. Er kam, weil weil – « Er versuchte sich zu besinnen, aber jetzt hätte er ebensogut versuchen können, ein Bleigewicht zu stemmen.»Lehnen Sie sich doch ruhig an«, sagte Fischer. »Also: Nichts vereinbart. In nichts eingeweiht. Einfach losgerannt. Wie der Füllgrabe losschlug, warfen sich Wallau und Heisler auf den zweiten Wachtposten, der nur zufällig bei Ihnen stand. Ihnen groß geschrieben, Pelzer! Stimmt?« – »Ja«, sagte Pelzer langsam. Jetzt rief Fischer laut: »Overkamp!« Overkamp stand auf, als sei ihr Dienstverhältnis umgekehrt. Pelzer, der gar nicht gemerkt hatte, daß es noch einen dritten Mann im Raum gab, fuhr zusammen. Er horchte sogar auf. »Holen wir gleich Georg Heisler zur Gegenüberstellung.« Overkamp nahm den Hörer ab. »So«, sagte er hinein. Dann sagte er zu Fischer: »Noch nicht ganz vernehmungsfähig.« Fischer sagte: »Entweder ganz oder nicht. Was soll das heißen, noch nicht ganz?« Jetzt trat Overkamp neben Pelzer. Er sagte schärfer als Fischer, aber nicht unfreundlich: »Pelzer, Sie müssen sich jetzt zusammennehmen. Heisler hat uns diesen Vorgang nämlich soeben anders beschrieben. Bitte, nehmen Sie sich zusammen, Pelzer, Ihr Gedächtnis und Ihren letzten Rest von Verstand.«
     
     
     

7
     
    Georg lag draußen unter dem graublauen Himmel in einer Ackerfurche. Ungefähr hundert Meter von ihm entfernt lief die Chaussee nach Oppenheim. Nur jetzt nicht steckenbleiben. Zu Abend in der Stadt sein. Stadt, das war die Höhle mit ihren Schlupfwinkeln, ihren gewundenen Gängen. Sein ursprünglicher Plan. Bis zur Nacht nach Frankfurt, gleich hinaus zu Leni. Einmal bei Leni, war ihm das Weitere einfach erschienen. Anderthalb Stunden Eisenbahnfahrt zwischen Sterben und Leben mußten überwindbar sein. War nicht bis jetzt alles glatt gegangen? Wunderglatt, planmäßig? Nur war er ungefähr drei Stunden zu spät dran. Zwar war der Himmel noch blau, doch vom Fluß her kam schon der Dunst über die Felder. Bald werden die Wagen der Chaussee trotz der Nachmittagssonne Laternen anstecken.
     
    Unbezähmbarer Wunsch, stärker als alle Furcht, stärker als Hunger und Durst und das verfluchte Geklopfe in seiner Hand, die längst durch den Fetzen durchgeblutet war: liegenbleiben, die Nacht kommt ja. Schon jetzt deckt dich der Nebel, hinter diesem

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