Das siebte Tor
Kindern.«
»Kinder…« Xar stutzte. Von Kindern hatte Marit
nichts erwähnt, dieser Faktor war in seinen Plänen nicht einkalkuliert. Aber,
so erinnerte er sich nüchtern, es sind Sar tewkinder.
»Was tut Kleitus?«
»Er versucht, die Runenmagie zu zerstören, die
das Schiff umhüllt, Gebieter. Alles andere nimmt er nicht wahr.«
Xar schlug ungeduldig mit der Hand durch die
Luft. »Verständlich. Auch er ist ausgehungert – nach frischem Blut.«
»Wie lauten Eure Befehle, Gebieter?«
Ja, wie lauteten sie? Seit er durch Marits
geflüsterte Unterhaltung mit Alfred erfahren hatte, was sie planten, dachte Xar
darüber nach, wie er vorgehen sollte. Alfred hatte vor, die Seele vom Körper
des Lazars zu trennen. Xar hegte beträchtlichen Respekt vor dem Drachenmagier
größeren Respekt als Alfred vor Alfred hegte. Er traute ihm durchaus zu, die
elende Existenz des Untoten zu beenden.
Der Fürst des Nexus scherte sich keinen Deut um
das Schicksal der Lazare. Ob sie zu Staub zerfielen oder Abarrach verließen –
ihm war es gleich. Aber sobald Kleitus aus dem Weg geräumt war, hinderte Alfred
nichts mehr daran, das Schiff in Besitz zu nehmen. Auch wenn er Marit erzählt
hatte, daß er es zerstören wollte, einem Sartan durfte man nicht trauen.
Xar faßte einen Entschluß. Er stand auf.
»Ich komme«, sagte er. »Unsere Truppen sollen
sich beim Amboßfelsen versammeln. Macht das Schiff seeklar. Wir müssen bereit
sein, zu handeln – schnell zu handeln.«
Hinter den Neuen Provinzen, genau gegenüber von
Glückshafen, erhob sich eine gezackte Felsformation, die man wegen der
schwarzen Farbe des Gesteins und der charakteristischen Form den Amboß nannte.
Der Amboß beherrschte die Einfahrt zu einer Bucht, vor Jahrhunderten bei einem
Erdbeben entstanden, als ein Teil des Berggipfels abgebrochen war. Er stürzte ins
Meer und schuf eine Öffnung in der Felsbarriere, durch die die Lava in ein
tiefer gelegenes Festlandbecken fließen konnte. In diesem Feuerteich, wie man
die Bucht nannte, bildete sich, genährt durch den Zufluß vom Ozean und
eingeschlossen von steilen Felswänden, ein träger, zähflüssiger Mahlstrom.
Gesteinstrümmer, die in den behäbigen Strudel
fielen, wurden von der glosenden Masse mitgetragen. Auf dem Amboß stehend,
konnte man sich einen bestimmten Stein aussuchen und dessen unerbittliche Reise
in den Untergang verfolgen. Zusehen, wie er sich in immer kleineren Kreisen dem
Herzen des Feuerteiches näherte und schließlich von dem glühenden Schlund
verschlungen wurde.
Xar stand oft auf dem Amboß und starrte in den
hypnotischen Mahlstrom aus rotglühender Lava. Wenn er in fatalistischer
Stimmung war, verglich er den Feuerteich mit dem Leben. Was man auch tat, wie
sehr man kämpfte und versuchte, seinem Schicksal zu entkommen, das Ende war
unausweichlich.
Doch heute war nicht der Tag, solchen morbiden
Gedanken nachzuhängen. Er blickte auf den Mahlstrom hinunter und sah – nicht
Steine, sondern eines der eisernen, von Dampf und Magie angetriebenen Schiffe,
mit denen die Sartan das Feuermeer befahren hatten. Das Eisenschiff ankerte in
der Bucht, unsichtbar für die Augen der Toten wie der Lebenden.
Von seiner hohen Warte aus hatte Xar freie Sicht
auf die Geisterstadt, den Pier, Marits Schiff und den Lazar, ohne daß er
befürchten mußte, selbst entdeckt zu werden. Nicht auf diese Entfernung, eine
schwarz gewandete Gestalt vor dem Hintergrund schwarzer Felsen. Das eiserne
Schiff war hinter dem Kap nicht zu sehen. Außerdem bezweifelte er, daß irgend
jemand dort drüben – Lazar oder Sartan – daran dachte, nach ihm Ausschau zu
halten. Man war anderweitig beschäftigt.
Sämtliche Patryn auf Abarrach, ausgenommen Haplo
in seinem Verlies in den Katakomben, befanden sich an Bord des Schiffes. Sie
warteten auf ein Zeichen ihres Gebieters, um aus dem Versteck hervorzukommen
und Glückshafen anzulaufen. Sie hatten Befehl, Alfred aufzuhalten, sollte er
den Versuch unternehmen, Abarrach zu verlassen.
Sie hatten auch den Auftrag – durch
Notwendigkeit bedingte Ironie –, Alfred zu retten, sollte er in Gefahr geraten.
Xar benutzte die Runenmagie, um sein Sehvermögen
zu stärken. Er konnte alles deutlich erkennen – den Kai von Glückshafen,
Kleitus, der damit beschäftigt war, Marits Schutzzauber aufzulösen. Durch ein
Bullauge im Rumpf erspähte der Fürst sogar einen Nichtigen – den Assassinen,
Hugh Mordhand –, der ruhelos von einer
Weitere Kostenlose Bücher