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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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Träume lebendig. Obwohl er schon lange bei Osyn in der Kunst der Comori ausgebildet wurde, träumte er doch insgeheim von Heldentaten und Abenteuern. Wie viel lieber wäre er jetzt in den Wäldern mit Amris auf der Jagd gewesen! Es war schon über eine Woche her, bevor der gewaltige Sturmauf gezogen war, dass er mit seinem Freund Amris ein Reh durchs Dickicht verfolgt hatte. Tenan brauchte nur daran zu denken, und schon fühlte er wieder die wilde Erregung, das Zittern der Kraft, den Rausch der Verfolgungsjagd, der seinen Körper erfasste. Er nahm fast den federnden Waldboden unter seinen schnellen, ausdauernden Schritten wahr, spürte die Zweige an seinen Kleidern zerren, während er vorwärts stürmte, das fliehende Wild nur wenig entfernt.
    Dann kam ihm eine Bootsfahrt vom letzten Herbst in den Sinn: Er brauste mit seiner kleinen, selbst gezimmerten Nussschale vor der Küste hart am Wind, die Ruderpinne fest in der Hand, und trotzte den Wellen, die sich schäumend an den schroffen Felsen der Steilküste brachen. Gleich darauf dachte er daran, wie er auf Naris, dem Pferd des Hufschmieds, das er manchmal reiten durfte, vornübergebeugt über das Hochland galoppierte. Der Wind zerzauste sein Haar, die Geräusche der Hufe hämmerten nur ein Wort: »Freiheit! Freiheit!«
    Während Tenan in seinen Träumen schwelgte, umspielte ein Lächeln sein Gesicht.
    Osyn holte ihn mit einem leichten, doch schmerzhaften Schlag des Zauberstabs unsanft in die Wirklichkeit zurück. Tenan zuckte zusammen und sog missmutig die modrige Luft der Stube zwischen den Zähnen ein. Wie konnte Osyn es wagen! Seine Stirn legte sich in Falten, und düstere Wolken schienen über seiner Stirn zu schweben, doch er schwieg.
    »Du tätest gut daran, als Student der geheimen Wissenschaften besser zuzuhören«, grummelte Osyn und schob ihm Federkiel, Tinte und Pergament zu. »Ich sehe schon, du bist heute nicht bei der Sache. Dann wollen wir mit den Schreibübungen weitermachen.«
    Sein Meister hatte ihm die Cestril-Schrift beigebracht, diezu erlernen nur den Eingeweihten des Ordens von Dan vorbehalten war. Dass er sie beherrschte, erfüllte Tenan mit Stolz, so als sei er im Besitz einer magischen Waffe. Und wie eine solche führte er heute den Federkiel. Er tauchte ihn in das Tintenfass wie einen Dolch, zog ihn schwungvoll hinaus, sodass sich überschüssige Tinte tropfend über Tisch und Pergament ergoss. Tenan schrieb in kühn ausholenden Buchstaben, die nur mühsam vom Rand des Pergaments begrenzt wurden, überließ es seiner Wut, die Hand zu führen. Aufstrich, Abstrich, Bogen um Bogen; die Buchstaben, Wörter, Sätze erschienen schnell und fließend. Der Federkiel kratzte hastig über das Pergament, war das einzige Geräusch in der Stille. Dann brach die Feder, und fluchend schleuderte Tenan sie zu Boden.
    »Was soll das alles?«, rief er wütend. »Dieses ewige Herumsitzen in der Stube bringt mir nichts! Die vergangenen Tage hier in der Hütte bei den magischen Übungen waren die reinste Qual. Das Wetter bessert sich langsam, und ich möchte wieder hinaus! Ich habe die theoretischen Lektionen satt!«
    Osyn schüttelte belustigt den Kopf. »Wenn ich dir zuhöre, habe ich das Gefühl, du wärst wieder in dem Alter, als du mit Müh und Not den ersten Grad des Comori erreicht hast. Kaum zu glauben, dass du mit deinen mangelhaften Fähigkeiten kurz vor den Prüfungen zur fünften Stufe stehst! Wie willst du nur in der Praxis der Magie bestehen, wenn du das Hintergrundwissen nicht hast? Dazu gehört nun mal auch das Erlernen der alten Schriftzeichen, die ja selbst magische Kräfte in sich tragen. Wenn du sie nicht richtig beherrschst, kannst du großen Schaden anrichten!« Er seufzte. »Nun – da du heute nichts mit den theoretischen Übungen anfangen kannst, kommen wir eben zum praktischen Teil.«
    Er wies auf einen Holzrahmen, der inmitten der Stube standund einen Großteil des Raumes einnahm. Auf ihm hatte Osyn die nassen Kleider der Dorfbewohner aufgespannt. Auch das noch!, fluchte Tenan innerlich. Nun musste er auch noch die Arbeit machen, die er am meisten verabscheute! Schon drückte ihm Osyn den Zauberstab in die Hand, zog ihn vom Stuhl und stellte ihn in Position.
    »Du hältst den Com wieder falsch«, tadelte er seinen Studenten und ordnete Tenans Finger anders an. »Die magische Kraft kann nur aus deinen Händen übertragen werden, wenn du den Stab korrekt umschließt. Der Zeigefinger muss dem Lauf des Holzes folgen, das Handgelenk muss

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