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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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Baumeister des Kaisers. Gerbert fand in römischen Architekturbüchern Ideen für die neue Kaiserpfalz. Seine Berechnungen gaben den rasch emporwachsenden Mauern Halt und harmonische Formen. Sogar einen Tiergarten nach sächsischem Muster legte Gerbert an, mit Kamelen, Löwen, Affen und Straußenvögeln.
    Morgen um Morgen hoffte Gerbert auf die Mitarbeit seines jungen Freundes aus Reims. Vorübergehend suspendiert von seiner Missustätigkeit, suchte Alexius im Kloster bei seinem Onkel Theodor Trost und Einsicht. Er hauste in der Klausur und zwang sich zu strengem Fasten. Tagelang machte er wie ein Novize das klösterliche Leben mit, wollte mit keinem Menschen sprechen. Von der Matutin bis zur Vesper gab es für ihn nur zweierlei. Trauern und beten. Alexius gönnte sich eine einzige Mahlzeit am Tag, das Abendessen im stillen Refektorium. Nach der Komplet starrte er in der dunklen Zelle vor sich hin, bis die Albträume ihn umfingen.
    An einem grau verhangenen Maitag klopfte es an der Zellentür. Sein Onkel Theodor trat ein und brachte Alexius ein Schreiben. Es sei von einem Boten namens Gerold abgegeben worden, der vor dem Klostertor warte. Flüchtig überflog der junge Grieche den Brief und legte ihn zur Seite.
    Elana hatte ihm geschrieben. Sie war nach ihrer abenteuerlichen Flucht aus der Engelsburg in die Lombardei geritten. Offenbar verspürte sie keine Lust, nach Sachsen weiterzureisen. In einem Kloster bei Pavia kopierte sie medizinische Schriften und wartete dort auf die Rückkehr des Hofes, vielleicht auch auf ihn, Alexius. Der Gedanke an die Burgherrin vermochte seine Melancholie nicht zu vertreiben. Verzweifelt wandte er sich an seinen Onkel, der immer noch unschlüssig in der Tür stand.
    »Der Brief ist von der Sächsin Elana«, sagte Alexius erklärend. »Sie hat mich aus der Engelsburg gerettet. Onkel Theodor, mein Herz ist so betäubt, dass ich mich nicht einmal bemüht habe, ihr zu danken. Nur an die Geheimnisse um Carolus’ Tod, an den Krieg gegen Crescentius Nomentanus, an die Geliebte wollte ich denken.« Bei den letzten Worten wurde der Schmerz stärker. Alexius nahm den Klosterbruder beim Arm und ging mit ihm aus der Zelle in den Gang. »Womit hat Gott Lucilla und mich strafen wollen?«, fragte er seinen verwandten Beichtvater. »Erkläre mir den Sinn ihres Todes, Onkel Theodor.«
    »Du bist als reisender Missus ununterbrochen Gefahren ausgesetzt«, antwortete der Mönch zart fühlend. »Deine Feinde, wilde Tiere, der Krieg. Jeden Tag lauert der Tod auch auf dich. Hast du nicht mit eigenen Augen gesehen, wie hunderte an Hunger und Epidemien starben? Kranke Kinder, erschöpfte Mütter. Was hat ihr Tod für einen Sinn? Deine Frage kann niemand beantworten. Nur im Glauben an Gott, an seine uns rätselhaften Pläne wirst du Trost finden.«
    Oder in der Rache. Am anderen Morgen rief Alexius seine bewaffneten Gefolgsleute und kehrte dem Kloster den Rücken. Gerold ging mit ihm, war wie früher sein schützender Schatten. Auch der treue Fuchshengst war wieder da, die Gefolgsmänner des jungen Griechen hatten ihn im Hof der Engelsburg entdeckt.
    In der kaiserlichen Residenz fand Alexius den Herrscher in der passenden Stimmung. Auch Otto melancholisch, von Ängsten und Zweifeln geplagt. Er zog den Boten mit sich in den stillen Hofgarten. Üppige Zierpflanzen mit weißen und roten Blümchen rankten sich um Marmorsäulen. Neben dem Zisternenbrunnen setzten die jungen Männer sich auf eine Steinbank, atmeten den intensiven Jasminduft ein.
    »Deine Verzweiflung ist verständlich, Alexius«, brach Otto endlich das Schweigen. »Sie ist auch meine Schuld. Ich hätte dich nicht so jung zum Missus machen sollen. Du hast dich zu sehr an Lucilla gebunden, weil dir die meiste Zeit deine Freunde und seit Jahren die Eltern fehlen.«
    »Ihr habt Vater und Mutter als Kind verloren.«
    »Das ist es ja. Leide ich deshalb ohne Grund?« Der Kaiser folgte mit den Augen dem Spiel einer Biene in den Blütenblättern. Plötzlich schüttelte er den Kopf. »Nein, etwas anderes plagt mich, Alexius. Sag mir, bin ich wirklich ein guter Mensch? Manchmal habe ich das Gefühl, verdammt zu sein.«
    Alexius erstarrte und drehte das Gesicht zur Seite. Zu spät.
    »Weshalb schaust du weg?« In Ottos Stimme klang ein flehender Unterton mit.
    Der junge Grieche gab keine Antwort.
    »Schwör mir bei deinem Seelenheil, dass du mir die ganze Wahrheit sagst! Kennst du den Grund meiner unerklärlichen Angst?«
    Alexius konnte nicht mehr schweigen.

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