Das Siegel der Macht
Alexius.
Der Bote des Kaisers starrte zum Himmel.
Erleichtert zog die junge Frau sich ein Tuch über die Schultern. Dann folgte sie seinem Blick, verstand.
Wolkenritter rasten am Himmel. Alexius musste südwärts reisen, dem Kaiser entgegen. Das Geheul in Elanas Ohren mischte sich mit dem Gefühl plötzlicher Einsamkeit.
11
Der Schimmel stellte sich wiehernd auf die Hinterbeine. Pfeile zischten vorbei und streiften seinen wehenden Schweif. Nur mit Mühe konnte der junge Krieger im ledernen Wams das Pferd festhalten. Verzweifelt zerrte er an den Zügeln und duckte sich hinter dem schützenden Tierleib. Neben ihm kniete der Papst auf der bloßen Erde. Gregor beachtete das Kriegsgeschrei nicht, er betete vor der Reliquie. Das Blut Christi im Kristallfläschchen in der Hand. Seine eigene Ruhe machte ihm Mut. Er würde siegen, Gott war auf der Seite des Guten.
Als der Papst endlich seinen Schimmel bestieg und mit der vordersten Reihe der Krieger Richtung Porta Flaminia vorrückte, atmete sein Heer auf. Die feindliche Streitmacht des Crescentius Nomentanus dehnte sich vom Stadttor bis zum Tiberfluss.
Rom war seit Tagen wieder in der Hand des räuberischen Senators. Als das kaiserliche Heer nordwärts gezogen war, hatte Crescentius Nomentanus leichtes Spiel, die Römer auf seine Seite zu bringen. Ein deutscher Papst, fremde Richter, befehlende Barbaren. Statt Freiheit: Ordnung, Gesetz, Strafen. Die Einheimischen hatten die Nase voll. Ohne Protest, viele mit offener Freude, standen die Römer am Wegrand, als Papst Gregor aus der Stadt vertrieben wurde. Nur wenige Gefolgsleute begleiteten den Pontifex ins Exil.
Nun ritt Papst Gregor Seite an Seite mit dem Grafen von Spoleto an der Spitze seines neuen Heeres. Zum Glück strahlte der Apostolische Vater einen ansteckenden Optimismus aus, der die Krieger trotz der schlechten Aussichten in angriffslustige Euphorie versetzte.
Die römische Übermacht war gewaltig. Im Sonnenlicht blitzten die feindlichen Lanzen und Schwerter wie Ähren in einem endlosen Kornfeld. Plötzlich kam Unruhe in die Reihen. Unaufhaltsam bewegten sie sich vorwärts. Immer wieder trafen Pfeile die päpstlichen Krieger, verletzten Pferde.
Gregor drängte zuversichtlich weiter. Er dachte nicht daran, sich schützend zu ducken. Seine Krieger mussten ihn sehen, um Kraft aus seinem Feuer zu schöpfen. Der Papst fühlte sich in seiner Mission geborgen. Geborgen hinter dem Schild der göttlichen Gnade wie hinter einem unsichtbaren Panzer.
Plötzlich knickten die Reittiere der Männer vor ihm in die Knie. Ein von Crescentius Nomentanus in aller Eile gezogener Graben hemmte die ersten päpstlichen Schlachtreihen. Das nachstoßende Gros wurde aufgehalten, viele Krieger machten kehrt, andere trieben ihre Pferde vorwärts. Das Geschrei war ohrenbetäubend. Im Wirrwarr zischten unbeirrt feindliche Pfeile. Einzelne Reiter wurden in den Tiber gedrängt, andere versuchten seitwärts auszuweichen.
Im hintersten Glied, für die Anführer unhörbar, schrie eine Stimme: »Papst Gregor und der Graf sind gefallen. Rette sich, wer kann.«
In wildem Durcheinander lösten sich die Reihen auf, das Heer des Grafen von Spoleto sprengte nordwärts.
Umgeben von seiner verjagten Streitmacht galoppierte der Apostolische Hirte. Peccatis exigentibus … , es hatte so kommen müssen. Gregors Seele war verwirrt wie sein Heer. Langsam fanden die päpstlichen Gedanken zurück zum Ursprung der Niederlage. Gott verwehrte ihm den Zugang nach Sankt Peter, weil die Sünde ungesühnt war. Jene Sünde, Anno Domini 992 …
Ein Schlachtfeld wie heute. Der wilde heidnische Stamm der Ljutizen hatte Brandenburg besetzt, wagte sogar Einfälle ins sächsische Gebiet. Der zwölfjährige König persönlich führte sein Heer. Neben Otto ritt er, Brun von Wormsgau, seit kurzem geweihter Priester und verantwortlich für die mitgetragenen Reliquien. Die Königlichen erlitten schwere Verluste. Im sächsischen Lager berieten die Fürsten, diskutierten den Rückzug nach Magdeburg. Draußen auf dem Feld ging der erbitterte Kampf weiter. Mann gegen Mann. Brun war mitten unter den Kriegern. Dutzende fielen von Pfeilen und Lanzen getroffen von den Pferden, der einundzwanzigjährige Priester blieb unversehrt. Nur einmal sah er ein feindliches Schwert gefährlich über seinem Kopf blitzen. Glücklicherweise war Amizzo schneller als der Angreifer. Der italienische Gefolgsmann, den er bei seinem ersten Rombesuch kennen gelernt und als treuen Freund in den
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