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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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rebelliert, sich von Männern etwas vorschreiben zu lassen, und Willie, dem ebenfalls schnell der Kragen platzt, sah in ihr das verzogene Gör. Er war häufig wütend auf sie, verzieh jedoch alles, sobald sie zur Gitarre griff. Nico und ich versuchten, die beiden auf Abstand zu halten, was aber nicht immer gelang. Großmutter Hilda sagte nichts; nur einmal meinte sie zu mir, Celia sei es nicht gewohnt, Zuneigung zu empfangen, aber mit der Zeit werde sie sich schon dareinfinden.
    Tabra ließ sich die Fußbälle aus der Brust nehmen, und die beiden neuen Implantate, anstelle von Silikon mit einer weniger gemeingefährlichen Lösung gefüllt, sahen wie ganz normale Brüste aus. Übrigens hatte es der Arzt, der sie als erster operiert hatte, zum bekanntesten plastischen Chirurgen von Costa Rica gebracht, also war die Erfahrung, die er an meiner Freundin gesammelt hatte, nicht umsonst gewesen. Heute ist er bestimmt ein Greis und erinnert sich nicht mehr an die junge Nordamerikanerin, die sein erstes Versuchskaninchen gewesen ist. Sechs Stunden verbrachte Tabra im OP, das fossile Silikon mußte ihrvon den Rippen geschabt werden, und als man sie aus der Klinik entließ, war sie so zerschlagen, daß wir sie bei uns daheim unterbrachten, um sie aufzupäppeln, bis sie wieder allein zurechtkam. Ihre Lymphdrüsen entzündeten sich, sie konnte die Arme nicht bewegen, und von der Narkose war ihr noch eine Woche lang übel. Außer wäßriger Suppe und Toastbrot behielt sie nichts bei sich. Damals studierte Jason schon in New York, und Sally war zusammen mit einer Freundin in eine Wohnung in San Francisco gezogen, aber Großmutter Hilda, Nico, Celia und die drei Kinder wohnten vorübergehend bei uns. Die Mansarde in Sausalito war ihnen zu eng geworden, und wir standen kurz davor, ihnen ein Haus zu kaufen, das zwar etwas entfernt lag und renoviert werden mußte, aber genügend Platz bot, einen Pool besaß und an buschbestandene Hügel grenzte, ideal für die Kinder. Willie und ich hatten das Haus also voll, und obwohl Tabra sich elend fühlte, war die Stimmung im allgemeinen ausgelassen, solange Celia oder Willie nicht auf Krawall gebürstet waren – dann genügte die kleinste Kleinigkeit für einen Streit. Einmal entzündete er sich an einer ziemlich ernsten Angelegenheit, die das Büro betraf: Celia beschuldigte Willie, in Geldangelegenheiten nicht aufrichtig zu sein, worauf er wie ein Springteufel an die Decke ging. Sie warfen sich wüste Beleidigungen an den Kopf, und ich konnte sie nicht beschwichtigen oder dazu bewegen, die Stimme zu senken und vernünftig miteinander zu reden. Binnen Minuten herrschte ein Lärmpegel wie bei einer Straßenschlacht, bis Nico den einzigen Schrei ausstieß, den wir je von ihm gehört haben, und uns damit zum Verstummen brachte. Dann knallte Willie die Tür hinter sich zu, daß die Wände wackelten. In einem der Schlafzimmer lag Tabra, noch immer benommen von der Operation und den Schmerzmitteln, hörte das Geschrei und glaubte zu träumen. Großmutter Hilda hatte sich mit den Kindern aus dem Staub gemacht, und sie hockten wahrscheinlichzwischen den Totenschädeln aus Gips und den Skunkbauten im Keller.
    Celia hatte gemeint, mich gegen Willie in Schutz nehmen zu müssen, und ich hatte mich nicht eindeutig auf seine Seite gestellt, und so blieben ihre Anschuldigungen unwidersprochen in der Luft hängen. Allerdings hätte ich mir nicht träumen lassen, daß dieser Streit derart langwierige Folgen haben würde. Willie fühlte sich tief verletzt, nicht von Celia, sondern von mir. Als wir endlich darüber sprachen, sagte er, ich würde mit meiner Familie einen hermetischen Zirkel bilden und ihn ausschließen, ihm nicht einmal vertrauen. Ich versuchte alles wiedergutzumachen – unmöglich. Wir waren sehr tief gesunken. Über Wochen grollten wir einander. Diesmal konnte ich nicht weglaufen, weil ich die kranke Tabra und meine gesamte Familie im Haus hatte. Wortlos, zornig, unnahbar baute Willie eine Mauer um sich. Früh am Morgen fuhr er in die Kanzlei und kam spät wieder; er setzte sich allein vor den Fernseher und kochte nicht mehr für uns. Wir aßen jeden Tag Reis mit Spiegelei. Selbst von den Kindern ließ er sich nicht erweichen, sie schlichen auf Zehenspitzen um ihn herum und wurden es schließlich müde, nach Vorwänden zu suchen, um zu ihm zu gehen; der Großvater war ein alter Miesepeter geworden. Dennoch hielt unsere Abmachung, das Wort Scheidung nicht in den Mund zu nehmen, und allem

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