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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Hosentasche zum Forellenangeln. Für den Weg zum Fluß braucht er zwei Stunden. Er kehrt mit einem Fisch heim, den er, mit Mikis Kräutermischung gewürzt, selbst zubereitet, und beschließt sein Tagwerk mit einem sehr heißen Bad und einer weiteren Zeremonie, mit der er seine Ahnen ehrt und nebenbei das Andenken seiner Frau in den Dreck zieht. »Er ist neunundachtzig und sieht aus wie der junge Frühling«, sagt Miki. Ich entschied, daß diese geheimnisvolle chinesische Medizin, die dem japanischen Greis die Jugend wiedergegeben hatte, mir auch diesen Felsklotz von der Seele nehmen konnte.

Paartanz und Schokolade
    Einer unserer Psychologen – wir hatten etliche zur Hand – riet Willie und mir dazu, nicht nur Verpflichtungen, sondern auch vergnügliche Aktivitäten miteinander zu teilen. Unserem Leben fehle es an Leichtigkeit und Amüsement. Ich schlug Willie vor, Tanzstunden zu nehmen, denn wir hatten zusammen den australischen Film Strictly Ballroom gesehen, und ich malte mir aus, wie wir unter Kristallüstern miteinander tanzen würden, er im Smoking und in zweifarbigen Schuhen, ich in einem mit Pailletten und Straußenfedern besetzten Kleid, wir beide schwerelos, anmutig, demselben Rhythmus folgend, in perfekter Harmonie, wie wir sie eines Tages auch als Paar zu erreichen hofften. An jenem unvergeßlichen Oktobertag des Jahres 1987, als wir uns kennenlernten, führte Willie mich zum Tanzen in ein Hotel in San Francisco aus, was mir die Möglichkeit gab, meine Nase seiner Brust zu nähern und an ihm zu schnüffeln, worauf ich mich in ihn verliebte. Willie riecht nach gesundem Kind. Er allerdings erinnert sich nur daran, daß ich auszubrechen versuchte. Es sei wie der Versuch gewesen, eine wilde Stute zu bändigen. »Wird das ein Problem zwischen uns?« hat er mich offenbar gefragt. Und er versichert, ich hätte mit unterwürfigem Stimmchen geantwortet: »Aber nicht doch!« Das war etliche Jahre her.
    Wir entschieden uns zunächst für Privatstunden, um uns vor anderen, fortgeschritteneren Tanzschülern nicht zu blamieren. Besser gesagt entschied ich das, denn Willie ist eigentlich ein guter Tänzer und war in jungen Jahren heiß begehrt und hat Wettbewerbe für Modetänze gewonnen; ich hingegen besitze auf der Tanzfläche die Anmut eines Niedrigflurbusses. Der Saal der Tanzschule war an allen vier Seiten von der Decke bis zum Boden verspiegelt, unddie Tanzlehrerin entpuppte sich als neunzehnjährige Skandinavierin, deren Beine mir bis zum Haaransatz gingen, in schwarzen Strümpfen mit Naht steckten und in Riemchensandalen mit Pfennigabsatz. Wir würden mit Salsa beginnen, sagte sie. Sie winkte mich auf einen Stuhl, wickelte sich in Willies Arme und paßte den Einsatz der Musik exakt ab, um auf die Tanzfläche zu wirbeln.
    »Der Mann führt«, lautete ihre erste Lektion.
    »Wieso das?« fragte ich nach.
    »Das weiß ich nicht, das ist so.«
    »Ha!« triumphierte Willie.
    »Ich finde das nicht gerecht«, beharrte ich.
    »Was ist nicht gerecht?« wollte die Skandinavierin wissen.
    »Ich glaube, wir sollten uns abwechseln. Mal sagt Willie, wo’s langgeht, mal ich.«
    Da ruft diese Kuh:
    »Der Mann führt immer!«
    Sie und mein Mann glitten zu den Klängen der lateinamerikanischen Musik über die Tanzfläche zwischen den großen Spiegeln, die ihre miteinander verschlungenen Körper bis in die Unendlichkeit vervielfältigten, die langen Beine in den schwarzen Strümpfen und Willies dümmliches Lächeln, während ich auf meinem Stuhl grummelte.
    Nach der Tanzstunde hätte sich unser Streit im Auto um ein Haar zur Prügelei ausgewachsen. Willie behauptete, Beine und Bug der Lehrerin gar nicht bemerkt zu haben, ich würde mir das alles nur einbilden »Grundgütiger! Auf was für Ideen diese Frau kommt!« echauffierte er sich. Daß ich eine Stunde auf dem Stuhl gesessen und ihm beim Tanzen zugesehen hatte, sei logisch, da der Mann ja führe, und hätte er das erst gelernt, könne er mich mit der Anmut eines Kranichs beim Hochzeitstanz übers Parkett bugsieren. Er sagte es nicht wörtlich so, aber in meinen Ohren klang es nach Hohn. Mein Therapeut riet mir, nicht gleich die Flinteins Korn zu werfen, Tanzen sei eine wirkungsvolle Übung für Leib und Seele. Was wußte der schon, ein buddhistischer Grünteetrinker, der bestimmt noch nie in seinem Leben getanzt hatte! Aber wie dem auch sei, wir gingen ein zweites und ein drittes Mal hin, ehe ich die Geduld verlor und der Tanzlehrerin ans Schienbein trat. In meinem ganzen

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