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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Anschein zum Trotz wußten wir wohl beide, daß dies nicht das Ende war, es so nicht vorbei sein konnte. Abends schlief jeder an seiner Bettkante ein, doch immer wachten wir morgens eng umschlungen auf. Das half auf die Dauer bei der Versöhnung.
    Nach dem, was ich dir erzählt habe, denkst du jetzt womöglich, daß Willie und ich nichts weiter taten, als streiten. Das stimmt natürlich nicht, Tochter. Nur wenn ich meine Sachen packte und bei Tabra schlief, also in unseren frostigsten Momenten, gingen wir nicht Hand in Hand. Sonstwaren wir im Auto, auf der Straße und überall Hand in Hand unterwegs. Zu Anfang war uns das ein Bedürfnis gewesen, das allerdings, nachdem wir uns zwei Wochen kannten, aufgrund einer Schuhgeschichte zur Notwendigkeit wurde. Wegen meiner Statur habe ich von jeher hohe Ansätze getragen, aber Willie war beharrlich der Meinung, ich solle bequem gehen und nicht wie diese chinesischen Konkubinen von früher auf mitleiderregenden Füßchen stöckeln. Er schenkte mir Turnschuhe, die noch heute, achtzehn Jahre später, unbenutzt in ihrer Schachtel liegen. Ihm zuliebe kaufte ich mir ein Paar Sandalen, die ich im Fernsehen gesehen hatte. Im Werbespot spielten einige spindeldürre Models in Cocktailkleidern und mit hohen Absätzen Basketball, also haargenau, was ich brauchte. Ich entledigte mich der Schuhe, die ich aus Venezuela mitgebracht hatte, und ersetzte sie durch die Wundersandalen. Ein Reinfall: Sie rutschten mir von den Füßen, und ich fiel so oft auf die Nase, daß Willie mich aus Gründen elementarer Sicherheit immer fest an der Hand halten mußte. Außerdem finden wir einander sympathisch, was im menschlichen Miteinander nie ein Schaden ist. Willie gefällt mir, und ich zeige ihm das auf vielfältige Weise. Er hat mich gebeten, mein spanisches Liebesgeflüster nicht ins Englische zu übersetzen, weil es ihm dann nicht geheuer ist. Ich erinnere ihn hin und wieder daran, daß er noch nie von jemandem so sehr geliebt wurde wie von mir, auch von seiner eigenen Mutter nicht, und daß er, sollte ich das Zeitliche segnen, von allen guten Geistern verlassen in einem Altersheim enden werde, er mich also besser verhätscheln und dankbar für mich sein möge. Er gehört nicht zu den Männern, denen romantische Worte leicht über die Lippen kommen, aber da er so viele Jahre mit mir gelebt und mich nicht erwürgt hat, gefalle ich ihm wohl ebenfalls ein bißchen. Was das Geheimnis einer guten Ehe ist? Ich weiß es nicht, jedes Paar ist anders. Uns verbinden Ideen, ein ähnlicher Blick auf die Welt, Kameraderie,Loyalität, Humor. Wir sorgen füreinander. Wir haben denselben Tagesrhythmus, benutzen manchmal dieselbe Zahnbürste und mögen dieselben Filme. Willie sagt, wenn wir zusammen sind, vervielfachten sich unsere Kräfte, zwischen uns bestehe diese »spirituelle Verbindung«, die er spürte, als wir uns zum erstenmal sahen. Mag sein. Ich genieße es, mit ihm zu schlafen.
    In Anbetracht unserer Schwierigkeiten beschlossen wir, einzeln zur Therapie zu gehen. Willie fand einen Therapeuten, mit dem er auf Anhieb gut zurechtkam, einen bärigen und bärtigen Koloß, den ich als meinen erklärten Gegner empfand, der jedoch mit der Zeit eine tragende Rolle in unserem Leben einnahm. Ich weiß nicht, welche Fragen Willie in seiner Therapie zu lösen versuchte, die dringlichsten betrafen wohl sein Verhältnis zu seinen Kindern. Ich begann in meiner damit, in alten Erinnerungen zu stochern und zu erkennen, daß ich ein schweres Päckchen zu tragen hatte. Ich mußte mich lange totgeschwiegenen Dingen stellen, mir eingestehen, daß der Fortgang meines Vaters, als ich drei war, eine Narbe hinterlassen hatte, die noch immer sichtbar war, meine feministische Einstellung und mein Verhältnis zu Männern davon geprägt worden waren, angefangen bei meinem Großvater und bei Onkel Ramón, gegen die ich mich stets aufgelehnt hatte, bis hin zu Nico, den ich weiter behandelte wie ein Kind, zu schweigen von Liebeleien und von meinen Ehemännern, denen ich mich nie mit Haut und Haar ausgeliefert hatte. Während einer Sitzung versuchte der Grüntee-Therapeut mich zu hypnotisieren. Es gelang ihm nicht, aber zumindest entspannte ich mich so weit, daß ich in meinem Herzen einen gewaltigen Block aus schwarzem Granit sehen konnte. Mir wurde bewußt, daß meine Aufgabe sein würde, mich von ihm zu befreien; ich würde ihn Stückchen für Stückchen kleinhacken müssen.
    Um den dunklen Brocken loszuwerden, ging ich nicht nur zur

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