Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
das
lange weiße Gewand, das sie zuvor trug oder ihre Bediensteten-Uniform.
Serena
begriff nicht ganz, wieso sie zum Training ausgerechnet einen so knappen Fummel
tragen sollte, doch Athene schien mit ihrem Werk sehr zufrieden.
„Dieses
Gewand wird dich vor ungewollten Schwerthieben schützen. Es lässt keine einzige
Klinge durch den Stoff schneiden und gewehrt dir dennoch jegliche
Bewegungsfreiheit, die du brauchst“, entfuhr es der Göttin, als sie hinter sie
trat. Ohne Wiederworte ließ Serena sich von ihrer Schwester ihre Haare zu einem
Zopf zusammenbinden. Seit Arkios ihr Haarband zerstört hatte, trug sie ihre
Haare jedoch stets offen, dabei verdeckten sie ihr wunderschönes Gesicht, betonte
Athene immer.
Auf
dem Weg nach draußen, ließ die Göttin es sich nicht nehmen, Serena noch auf
einige Verhaltensweisen und Regeln, die unerlässlich für ein Mitglied des
olympischen Adels waren, hinzuweisen. Sie meinte es nur gut mit ihr, das wusste
Serena, doch die Göttin bemerkte nicht, dass sie gedanklich längst eine Waffe
in der Hand hielt. Sie sah es als gute Möglichkeit, ihrer Zukunft einen Schritt
entgegen zu treten und ihrer Vergangenheit so den Rücken zukehren zu können.
Sie sah es als letzten Ausweg. Die Ablenkung würde ihr gut tun, da war sie sich
sicher.
Die
Palastgänge waren ungewöhnlich leer, wohlmöglich lag es aber auch einfach nur
daran, dass sie in diesem Teil des Olymps nie eine Bedienstete antreffen würde.
Es war ihnen strengstens untersagt einen Fuß in einen der oberen Stockwerke der
vorderen Türme, der Therme oder in die Gemächer der olympischen Götter zu
setzen. Aus diesem Grund waren die einzigen, denen sie jemals hier begegnen
würde, andere Götter, deren Gemächer in der gleichen Richtung lagen. Üblicherweise
bestanden diese im Gegensatz zu denen der Bediensteten aus mehreren großen Räumen
und einer eigenen kleinen Therme. Was sich jedoch wirklich hinter deren Türen befand,
wussten nur die Götter selbst.
Serena
stellte sich diese immer wie große prächtige Wohnungen vor, in denen es den
Göttern an nichts fehlte und jeder seinen eigenen Pflichten und Vorlieben nachkommen
konnte.
„Poseidon?!“, durchschnitt Athenes
spitze Stimme plötzlich ihren verträumten Gedankengang und ließ sie abrupt
stehenbleiben. Der Gott der Meere kam gerade die große geschwungene Treppe zu
ihnen herauf und sah Athene verwundert an. „Was suchst du hier?“ Die Stimme der
Göttin wurde härter und Serena vernahm den tiefen Unterton, der ihr die Fassungslosigkeit
verdeutlichte.
Auch
Poseidon schien unangenehm überrascht und sah entgeistert zu seiner göttlichen
Nichte auf, doch ehe er sich in einem Wortstrick verfangen konnte, kam er die
letzten Stufen zu ihnen herauf und blieb vor ihr stehen. Seine Brust herausgestreckt,
schien er beweisen zu wollen, wer der mächtigere Gott war. Serena wich zurück.
Dies war ein Konflikt zwischen zwei olympischen Gottheiten, sie würde nur im
Wege stehen. Poseidon zeigte in ihrer Anwesenheit nun erstmalig sein, von
Athene erwähntes, wahres Gesicht.
Nun,
da er am oberen Ende der Treppe stand, war er einen Kopf größer als die
zierliche Göttin und sah sie herablassend an. Seine Blicke trafen einen kurzen
Moment Serenas und plötzlich veränderten sich seine Gesichtszüge vollkommen. Die
junge Halbgöttin konnte es nicht behaupten, doch sie war sich sicher, dass es
wegen ihr sei.
Er
erschien betucht freundlich und lächelte Athene sogar an, die ihn jedoch auch
weiterhin mit einem misstrauischen Auge musterte.
„Ich
bin auf der Suche nach meinem Bruder, sicher können mir die zwei hübschen Damen
weiterhelfen …?“
„Den
wirst du hier sicherlich nicht finden Poseidon!“, fauchte Athene gereizt, als der
Meeresgott sich nun mehr der Halbgöttin zu wandte und seine Aufmerksamkeit ihr
galt, doch Serena ignorierte seine Beäugelung und sah zu ihrer Schwester, die
zu ihr kam, als wolle sie sie vor den aufdringlichen Blicken des Gottes schützen.
„Wie
ich sehe, hat sich mein Bruder eurer erbarmt!“ Serena hielt scharf die Luft an.
Was
hatte er gerade gesagt?
Ihre
Augenwinkel verengten sich. Nur mit Mühe und den züchtigenden Blicken ihrer
Schwester konnte sie die Wut, die sich in ihr anstaute, unterdrücken und nach
außen hin nichts als Gleichgültigkeit zeigen.
„Ich
bin beeindruckt. Wie ich sehe, benimmst du dich sogar wie eine stolze, anmutige
Göttin!“, grinste er unter seinem braunen Bart hervor und stemmte seine Hände
in die
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