Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
verbittert versuchte, stark zu sein,
um nicht komplett den Verstand zu verlieren. Das gelang ihr nur bedingt. Ihre
Wutausbrüche waren die Folge des Verdrängens und unter diesen mussten andere leiden.
Nur
für einen Moment schloss sie ihre ermüdeten Augen und ließ von allem los was
sie fest hielt, doch damit ließ sie auch die zerstörerischen Gedanken ungehindert
frei.
Bittere Realität
Kalter
Schweiß lief über ihren Rücken. Das Blut pulsierte in ihren Venen. Jeder
Atemzug, den sie tat, schmerzte in ihrer Brust als sie den hölzernen Rauch
einatmete. Ihr Kopf pochte, als sie die Vibrationen einer naheliegenden
Explosion vernahm, doch der ohrenbetäubende Knall ereilte sie erst Augenblicke
später. Vielleicht dachte sie es auch nur, denn ihr Körper war gebannt vor Entsetzen.
Sie
blickte hinab auf die leblosen Körper zu ihren Füßen. Ihr schweißgetränktes,
einst weißes, Nachthemd, war blutbeschmiert. Ihre langen dunklen Haare hingen wie
Fäden in ihr Gesicht. Ihre Augen waren kalt und glanzlos.
Langsam
blickten sie zu ihr auf. Beide sahen sie das kleine Mädchen schuldzuweisend an.
Ihre weitaufgerissenen Augen fixierten ihre. Der Anblick ihrer Eltern, die
blutüberströmt, die Leichenblässe bereits eintretend, zu ihren Füßen lagen,
ließ sie erzittern.
Deren
Lippen bebten förmlich, pulsierten in unregelmäßigen Stößen und stießen leise Wörter
hervor.
„Du
bist die Nächste!“
Sie
schreckte schreiend aus dem Schlaf und setzte sich auf. Schwer atmend sah sie
sich um, doch sie war allem Anschein nach alleine. Die Arme fest um ihren Kopf
geschlungen, stützte sie diesen auf ihre Knie und schnappte nach Luft.
„Sie
sind tot. Sie sind beide tot. Das war nur ein Traum!“, flüsterte sie leise und versuchte
sich so selbst zu beruhigen. Lange Zeit verharrte sie in dieser Position,
wippte hin und her und versuchte die Bilder aus ihrem Kopf zu verdrängen.
Wohlmöglich hatte Athene und Hermokrates doch Recht.
Seitdem
sie auf dem Olymp ist, schienen ihre Alpträume schlimmer zu werden, denn seit
dem Zeitpunkt ihrer Ankunft, beschäftigte sie das Thema Familie mehr denn je
und so dachte sie auch immer öfter an Callisto und Timaios und somit auch an
ihre Vergangenheit, die sie einzuholen drohte, doch wenn sie nicht länger eine
Gefangene ihrer Selbst sein wollte, dann musste sie vergessen, auch wenn es
schmerzte.
Als
es leise an der Tür klopfte, blickte sie auf. Athene trat ein und kam direkt auf
sie zu.
„Ich
habe auf dich gewartet …“, entgegnete sie ihr bereits auf halbem Wege.
Als
Serena ihre Schwester sah, atmete sie erleichtert auf. Völlig in ihren Gedanken
versunken, hatte sie erst nicht bemerkt, dass die Sonne bereits aufgegangen war
und sie ganz vergessen hatte, dass sie bei Sonnenaufgang mit ihr zum Üben
verabredet war. Die Göttin versuchte gut zu machen, was sie nicht halten
konnte, doch Serena hatte den leisen Verdacht, dass es ein gutdurchdachter Plan
war mit dem sie sie daran hindern wollte, noch einmal in Erwägung zu ziehen,
den Olymp ohne Erlaubnis zu verlassen.
„Verzeih,
ich habe die Zeit vergessen …“, entschuldigte Serena sich ertappt und sprang
auf. Athene schloss die Tür hinter sich und musterte ihre Schwester fragend.
„Es
war wieder dieser Alptraum oder?“ Fast schon sicher klang die Stimme der Göttin,
als sie sich mit dem Rücken an die Tür lehnte und auf die Mimik der Halbgöttin
achtete.
Diese
hatte ihren Worten jedoch kein Gehör geschenkt und lief in ihrem Gemach suchend
auf und ab, doch die Göttin brauchte kein Wort der Bestätigung, denn ihr Körper
war es, der es tat. Die Augenringe und das aufgeregte Verhalten der jungen Frau
war Beweis genug, dass sie wieder einmal kaum geschlafen hatte, was die Göttin
zunehmend besorgte.
Als
Serena inne hielt und sich wieder zu ihrer Schwester umdrehte, sah sie erst,
dass diese nicht in einem eleganten langen Gewand hier war. Sie trug ihre
goldene Rüstung, die ihren zarten Körper umschloss und sie viel strenger wirken
ließ und ihr dennoch die Anmut einer Olympierin schenkte.
„Hier,
das solltest du anziehen!“, fuhr die Göttin dann fort und warf ihr ein kurzes
cremefarbenes Gewand hin. Es legte sich eng um ihre Taille und schmiegte sich
mit einem roten Tuch um ihre Hüfte an ihren Körper wie eine zweite Haut. Wie
ein kurzer Rock, endete dieses jedoch weit über ihren Knien und veranlasste sie
dazu, es ständig nach unten zu ziehen. Es war ein ganz anderes Tragegefühl als
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