Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
des Thronsaales, in dem sie
Helios vermutete. Nie war sie in diesem Raum gewesen, da sie keine Bedienstete
in den engeren Kreisen war, die Tag und Nacht bereit stehen mussten, doch
alleine die Größe dieser Flügeltoren versprachen viel.
Noch
einmal sammelte sie sich und schob langsam die schweren Tore auf. Das durch die
Decke fallende Sonnenlicht, das sich im glänzenden Marmorboden wiederspiegelte,
blendete sie und bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten, stand sie schon längst
im Raum, doch sie war alleine. Weder Helios, noch Bedienstete schienen hier zu
sein. Etwas erleichtert war sie, denn sie hatte sich überhaupt keine Gedanken
darüber gemacht, was sie ihm hätte sagen sollen, doch alles war vergessen als
sie sie sah. Das rote Band hatte sie schon aus der Ferne erkannt. Mit großen
Augen schritt sie vorsichtig in den Raum und näherte sich dem großen Thron auf
einem Podest. Dort lag sie, als hätte sie auf die junge Halbgöttin gewartet,
als würde sie sie rufen.
Die
seltsame Schriftrolle. Das unzerstörbare Band, das sie versiegelt hatte, war
geöffnet. Sie hätte einfach auf sie zugehen, sie in die Hände nehmen, öffnen
und lesen können, stattdessen stand sie einfach nur da und starrte auf das zusammengerollte
Pergament hinab, unfähig sich zu bewegen. Es war zu einfach.
Helios
würde nie dieses wichtige Dokument, das er ständig mit sich herumtrug, einfach
offen auf dem Thron liegen lassen, doch es war hier und er nicht. Mit sich
selbst ringend starrte sie auf die verlockende Schriftrolle hinab. Sie wollte
sie lesen, mehr als alles andere, doch die Gewissensbisse hinderten sie. Dieses
verdammte Stück Papier schien sie anzulächeln, verspottete sie, wollte sie dazu
verleiten es zu nehmen, doch -
„Ich
hatte dich hier nicht erwartet!“, ertönte die starke Stimme des Sonnengottes
plötzlich hinter ihr.
Prompt
wich Serena vom Thron zurück und wandte sich dem Gott zu, der mit verschränkten
Armen in der Tür stand. Sie hätte sich auf die Knie werfen, sich verbeugen sollen,
um ihre Unterwürfigkeit zu zeigen, doch der Schock saß zu tief, als dass sie
sich hätte rühren können.
„I-Ich
…“, stotterte sie verzweifelt, als ihr die richtigen Worte wieder entglitten
waren.
Als
er auf den Thron neben ihr sah, verfinsterten sich seine Blicke sofort und eine
rasche Handbewegung ließ die Schriftrolle in seiner Hand erscheinen.
„Bist
du deswegen hier?“ Sie antwortete nicht, doch er kannte sie inzwischen gut
genug, um dies als Bestätigung aufzufassen.
„Du
kannst es ruhig sagen. Ich habe schon auf dem Olymp bemerkt, wie du sie
angestarrt hast …“ Serena wandte sich schweigend von ihm ab. Sie war hergekommen,
um mit ihm zu reden, doch sein Vorwurf ließ sie all dies wieder vergessen.
Eine
Weile schwiegen sich beide einfach nur an. Serena hatte den Mut verloren, den
Plan umzusetzen mit dem sie hergekommen war, stattdessen fiel sie in ihr altes
Verhaltensmuster zurück: stur ausharren und nichts an sich heran lassen.
„Vielleicht
bist du der Meinung, ich hätte dir von den Plänen deines Vaters erzählen
sollen, aber was hätte dir das genützt?“, entfuhr es ihm dann plötzlich zögernd.
Serena
wandte sich wieder zu ihm um. Seine Gesichtszüge waren viel weicher, doch noch
immer prallte jeglicher Versuch sie zu erreichen an ihrer kalten Mauer ab.
„Ich
hätte dir von seiner Bitte erzählen können, aber du hättest mich dafür gehasst,
weil ich es gewesen wäre, der dir deinen Wunsch zerstört hätte, deine
Traumvorstellung. Sicherlich hättest du es irgendwie herausgefunden und es
trifft mich zu tiefst, dass es auf diesem Weg sein musste, doch so konntest du
wenigstens für einen Moment glauben, es sei alles wahr …“
Sie
senkte ihren Kopf und schloss die Augen. Unweigerlich musste sie an Zeus
denken, wie er sie behandelt hatte – wie eine Prinzessin. Sie war glücklich, jedenfalls
für den Hauch eines Momentes.
Wieder
sah sie zögern zu ihm auf, ihre kühle Fassade war augenblicklich durchbrochen.
Der Gedanke an ihren Vater hatte sie berührt, sie erweicht und ließ sie ihren
Stolz vergessen.
Ihr
Gesicht verzog sich zu einer mit sich selbst ringenden Fratze.
Erneut
wurde sie in ihren Bann gezogen. Die Schriftrolle in seiner rechten Hand hatte
sie geradezu verhext und dies schien auch er zu bemerken.
Wie
erstarrt blickte sie auf seine Hand hinab, die er ihr plötzlich entgegenstreckte.
In ihr hielt er die Schriftrolle, die er der jungen Halbgöttin reichen wollte.
Erst
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