Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
Sie, die Göttin der
Morgenröte und Schwester des Helios, bildete zusammen mit ihm und Selene, die Göttin
des Mondes, den Wechsel der Tageszeiten. Keine anderen Gottheiten waren von
einander so abhängig wie dieses Geschwistertrio. Sie waren einander
verpflichtet. Eos, die den Weg für Helios ebnete und den bevorstehenden Tag
ankündigte, indem sie die Dunkelheit mit ihrem Glanz zerriss, Helios, der den
brennenden Himmelskörper über den Okeanos leitete und selbst in der Nacht
seiner Schwester Selene noch genug Kraft gab, den leuchtenden Mond über die
Sterblichen wachen zu lassen, wenn er ruhte, ehe Eos am kommenden Morgen wieder
aufbrach und das Spiel von vorne begann.
Sie
hasste die Olympier so sehr, Eos, sie konnte sie nicht leiden, das war
unüberhörbar und diese Abneigung schien sie auch mit Helios zu teilen, der nur
nichts gesagt hatte, weil sie mit im Raum war. Seine eigene Schwester hatte ihn
verraten und obwohl Serena sie nicht sonderlich mochte, hatte sie ihr zu
verdanken, hinter das Lügengerüst ihres Bruders und ihres Vaters geblickt zu haben.
Er
hatte sie ihm angeboten? Er hatte seine eigene Tochter einem Gott angeboten?
Er
hatte versprochen, einen anderen Weg zu suchen …
Er
wollte sie an Helios verschenken, doch er hatte keinerlei Interesse an ihr, jedenfalls
behauptete er dies, doch wiedermal zweifelte sie an seinen Worten, nachdem sie
wirklich kurz davor stand, ihm zu glauben, war sie nun schließlich hier und er,
der Gott, der versuchte das Vertrauen einer einfachen Halbgöttin zu gewinnen,
hatte geschworen sie zu schützen.
Sie
hatte sich inzwischen in ihr Bett gelegt und beobachtete die leicht tänzelnde
Flamme der Kerze auf dem Nebentisch.
Sie
war nicht gekommen. Wie erwartet, war sie nicht erschienen. Ein Gott hielt
nicht Wort, warum sollte es dann eine Göttin tun? Doch genau genommen war es
ihr recht.
Helios
wollte sie von seiner Schwester fern halten. Er hatte ihr nichts von diesem
Geheimnis erzählt, obwohl sie eine enge Bindung zu einander hatten, nur Darius
wusste von ihrer Existenz, von ihrem wahren Ich. Er, Helios, hatte sicherlich
seine Gründe, doch vielleicht waren diese ebenso falsch wie jedes Wort, das er
an sie gerichtet hatte.
Plötzlich
klopfte es an der Tür.
Serena
setzte sich ruckartig auf. War Eos also doch noch gekommen.
„Ja
…“, ließ sie leise verlauten. Kurz darauf öffnete sich die Tür, ganz langsam
und lautlos, doch es war nicht Eos, die eintrat, es war Helios.
Er
streckte seinen Kopf zwischen dem Türspalt hervor und sah zu ihr rüber. Sie
atmete erleichtert auf, denn eigentlich hätte sie nicht einmal gewusst, wie sie
sich der Göttin gegenüber verhalten solle, wenn sie wirklich erschienen wäre.
„Oh,
du schläfst schon …?!“ Serena schaute ihn einen Moment fragend an.
„Nein
… nein, ich habe mich nur ins Bett gelegt …“ Sie zog die Bettdecke etwas höher,
als er mit einem kleinen Tablett herein kam und leise die Tür hinter sich
schloss.
Wortlos
setzte er sich zu ihr ans Bett und stellte das Tablett auf den Nebentisch.
Wasser, eine übelriechende Paste, Verbände und Tücher waren darauf
bereitgelegt. Sie starrte auf das Tablett und dann vorsichtig zu ihm auf.
„Ich
dachte, sie wollte kommen …“, entfuhr es ihr dann leise, als er kein Ton
verlauten ließ.
„Ich
hielt es nicht für angemessen, dass sie dir noch näher kommt …“
„Antheia
hat mich …“
„Ich
weiß. Ich werde mit ihr darüber reden“, fuhr er ihr angespannt ins Wort und
rieb die übelriechende Salbe auf ihre Wunden. Serena zuckte abrupt zusammen.
Der stechende Schmerz durchfuhr ihren Körper und hinterließ ein unangenehmes Ziehen
auf ihrer Handfläche.
„Ich
wollte sicher gehen, dass alles in Ordnung ist. Ihre Worte müssen dich sehr
aufgebracht haben …“, fuhr er fort und sah dabei leicht zu ihr auf. Natürlich hatten
ihre Worte sie aufgeregt, aber er erwartete doch nicht ernsthaft, dass sie auf
solch eine plumpen Versuch, ein Gespräch zu beginnen, anspringen würde.
Sie
verzog keine Miene, sah ihn nicht einmal an. Stattdessen schien sie seine Hände
misstrauisch zu beobachten, keine Frage, sie traute ihm nicht über den Weg.
Vorsichtig
strich er über ihren Handrücken, als er den Verband umgelegt und festgezogen
hatte. Es hinterließ ein seltsames Kribbeln und eine Gänsehaut überkam sie.
Schweigend
betrachtete sie die Kerze, die sich in ihren goldbraunen Augen wiederspiegelte.
Noch immer wirkte sie teilnahmslos und ließ
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