Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
gestern?«
»Aber ja!« Er nickte so heftig, dass sich Kinn und Hals in mehrere Falten legten. »Du kennst ihn?«
»Wann ist er aufgebrochen?«, drängte sie. Ihre Augen leuchteten, ihre Wangen glühten.
»Nach dem Geläut zur Prim. Ganz allein ist er gegangen, nicht mit den anderen, die hier geschlafen.«
Das Mädchen war so aufgeregt, dass es nicht bemerkte, dass sie den Speiseraum bereits erreicht hatten und Pater Bertran und Bruder Rupert sie aufmerksam musterten.
»Ach, wenn es noch nicht so spät wäre, dann würde ich noch in diesem Augenblick aufbrechen«, sagte sie. Die Müdigkeit und der schmerzende Rücken waren in diesem Moment vergessen.
»Du bist mir ein lustiger Geselle«, bemerkte der Mönch und lachte, dass sein massiger Leib bebte. Er ließ sich in seine Kissen fallen. Rasch wich Juliana zurück, damit er sie nicht noch einmal tätscheln konnte. Für einen Moment wirkte er enttäuscht.
»Überlege es dir«, schlug er vor. »Mein Angebot bleibt bestehen. Es ist noch ein weiter Weg bis Santiago, da kann so vieles geschehen. Hier ist ein Platz für dich, wenn du zurückkommst.«
Der Novize stellte Tonschalen und Becher auf den Tisch und lächelte das Mädchen schüchtern an. »Ich würde mich auch über deine Gesellschaft freuen.«
Juliana nickte. »Ich werde darüber nachdenken«, würgte sie hervor, schwor sich jedoch im Stillen, eher den Kochendorfer zu heiraten, als hier mit diesem Fleischberg von einem Mönch zu leben.
24
Auferstehung und Tod
Burg Ehrenberg im Jahre des Herrn 1307
O stern. Der Dekan ist gekommen, um das Fest der Auferstehung mit ihnen zu begehen. Die Messe um Mitternacht hat er natürlich mit den anderen Stiftsherren in St. Peter gefeiert, doch nun, da der Tag erwacht ist und der Frühling einen sonnigen Tag verspricht, ist er nach Ehrenberg geritten. Juliana wartet am oberen Tor auf ihn und kann sich kaum gedulden, bis er aus dem Sattel gestiegen ist und die Zügel dem Stallknecht in die Hand gedrückt hat.
»Pater, ach wie gut es tut, Euch zu sehen«, ruft sie und küsst seine Hand. »Wie sehr habe ich Euch vermisst! Geht es Euch gut?« Sie betrachtet ihn besorgt. Der Stiftsherr entzieht ihr seine schmale, faltige Hand und legt die ihre auf seinen Unterarm.
»Auch ich habe deine Gesellschaft nur ungern entbehrt. Der Winter war lang und kalt, und der Schnee wollte den ganzen Februar über nicht weichen. Ich muss gestehen, dass mir die Stunden in der Kirche und die Treffen im Kapitelsaal zur Last wurden.«
»Ihr wart sehr krank, nicht wahr? Der Vater hat es mir berichtet.«
»Ja, das Alter fordert seinen Tribut. Fieber und Husten warfen mich auf mein Lager nieder, und ein entzündeter Hals ließ mich kaum noch Nahrung zu mir nehmen.«
Das Mädchen mustert ihn aufmerksam. Er ist dünn geworden, der Hals faltig, die Wangen eingefallen. Selbst die grünen Augen scheinen an Farbe verloren zu haben.
»Nun sieh mich nicht so voller Sorge an!« Sein Lächeln ist warm und gütig wie immer. »Dem Herrn hat es gefallen,
dass ich mich von meinem Lager wieder erhebe, also will ich mich freuen und den Tag mit dir und deiner lieben Familie genießen – und natürlich das Mahl, das die Edelfrau ohne Zweifel an diesem Festtag auftischen lässt.« Er lächelt verschmitzt, und um Julianas Herz wird es leichter. Sie lächelt zurück.
»Worauf ihr Euch verlassen könnt! Seit drei Tagen ist die Küche ein Taubenschlag, in dem ein Kommen und Gehen herrscht, dass die Köchin und die beiden Mägde, die ihr helfen sollen, nicht mehr ein noch aus wissen. Ich habe heute Morgen schon einen Blick um die Ecke geworfen, und ich sage Euch, was ich sehen und riechen konnte, ist äußerst vielversprechend!«
»Dann warten wir mit Spannung die Messe ab und stellen uns schon einmal die Köstlichkeiten vor.«
»Aber doch nicht während der Messe!«, widerspricht das Mädchen in gespielt entrüstetem Ton.
»Aber nein«, stimmt ihr der Dekan zu und zwinkert. »Während der Messe werden wir uns jeden Gedanken an unser leibliches Wohl verkneifen, und möge es uns noch so schwer fallen.« Er seufzt. »Der Hunger muss schweigen, während wir unsere Gedanken auf die Auferstehung richten. – Wobei ich mich frage, ob man nicht ganz unbemerkt schon vor der Messe eine Kleinigkeit kosten könnte? Man wäre dann nicht so sehr von den Worten Eures Pfarrers abgelenkt, was meinst du?«
Juliana wirft den Kopf in den Nacken und lacht. »Ach, ist das herrlich, Euch an meiner Seite zu haben. Mit
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