Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
»Ich habe in meinem Leben schon viele Nächte auf dem nackten Boden verbracht.«
»Ach, und die beiden Burschen können sich eine teilen«, sagte Fray Diego mit einem zufriedenen Lächeln auf dem feisten Gesicht.
Juliana starrte den fetten Mönch voller Entsetzen an. Das durfte nicht sein Ernst sein. Sie konnte das Lager nicht mit André teilen.
»Nein!«, keifte Pater Bertran und erhob den knochigen Zeigefinger. »Es schadet dem jungen Ritter gar nichts, wenn er auf dem Boden schläft und noch ein wenig Abhärtung erfährt!« André wagte nicht zu widersprechen, und Juliana ließ erleichtert
die Luft entweichen, die sie vor Schreck angehalten hatte. Sie konnte nicht verhindern, dass sie dem Augustinerpater dankbar war.
»Ihr könnt Eure Lager vorn bei der Tür aufschlagen«, fuhr Fray Diego fort. »Haltet euch bitte von dem Wandschirm in der Ecke fern. Dort liegt ein Weib, das wir in unsere Obhut genommen haben, bis sie wieder gesund ist.«
»Ein Weib?«, rief Ritter Raymond, der den ganzen Tag über mürrisch gewesen war und sich von den anderen fern gehalten hatte. »Eine Pilgerin?«
Der dicke Mönch nickte. »Ja, ein junges Weib, das vom fernen Norden kommt, sagt sie.«
»Ist sie…«, er leckte sich über die Lippen. »Ist sie schon lange hier?«
»Seit drei Tagen. Ein Fieber hat sich ihrer bemächtigt, als sie bei einem Regenguss völlig durchnässt wurde.«
Juliana sah, wie es hinter Ritter Raymonds Stirn arbeitete. Sie war sich sicher, dass er die erste Gelegenheit ergreifen würde, um sich zu vergewissern, ob das Weib das Fräulein von Ehrenberg sein konnte, auf dessen Suche er geschickt worden war.
Wenn Ihr wüsstet, dachte sie und hoffte gleichzeitig, dass er nicht herausfinden möge, dass er bereits tagelang in Gesellschaft der von ihm Gesuchten unterwegs war.
»Fray Diego?« Der Novize kam zurück und verbeugte sich tief. »Das Essen ist so weit. Soll ich Euch in die Küche bringen?« Er trat an den Stuhl heran. Der Mönch wuchtete sich mit einem Stöhnen aus dem Stuhl und legte sogleich seinen Arm um die Schulter des Jünglings. Schwer atmend blieb er einige Augenblicke stehen, sein Blick huschte über die Besucher, bis er an dem Ritterfräulein hängen blieb.
»Wie ist dein Name, mein Junge?«
»Ich heiße Johannes, Fray Diego.«
Er winkte mit seiner fleischigen Hand. »Komm her und führe mich.«
Zögernd gehorchte das Mädchen. Sie dachte, ihr Rückgrat müsse brechen, als sich der Mönch auf sie stützte. Mit winzigen Schrittchen schob er sich zur Küche hinüber, um sich vor dem Kessel sogleich auf den nächsten Hocker fallen zu lassen. Die dünnen Beine knarzten unter seinem Gewicht, und Juliana wunderte sich, dass der Hocker nicht zusammenbrach. Fray Diego nahm den großen Schöpflöffel, probierte den verkochten graugrünen Brei und verzog angewidert das Gesicht.
»Das taugt nicht einmal, um Schweine damit zu füttern. Los Junge, bring mir Salz und Knoblauch, Thymian und Salbei und ein paar Wacholderbeeren.« Der Novize eilte durch die Küche, um die gewünschten Zutaten zu bringen. Der Dicke ließ getrocknete Kräuter und Pulver in den Kessel rieseln, bis er zufrieden nickte. »Nun kannst du den Topf hinüberbringen und die Glocke zum Spätmahl läuten – nein – ist nicht nötig, mir zu helfen, unser hübscher Freund Johannes wird das heute tun, nicht?«
Er tätschelte ihre Wange, als sie zu ihm trat, um ihm aufzuhelfen. Es kostete sie einige Überwindung, nicht zurückzuweichen und die rote Pranke wegzuschlagen.
»So ein schönes Gesicht, solch wundervolles Haar«, schwärmte der Dicke, als sie den Rückweg antraten. »Weißt du schon, was du machen willst, wenn du von Sankt Jakob zurückkehrst? Willst du nicht hier bleiben und mit mir für die Pilger sorgen? So ein Bürschchen wie dich könnte ich hier gut gebrauchen. Was meinst du?«
»Nein, das geht nicht«, würgte Juliana hervor. »Meine Familie, sie wartet. Ich muss wieder nach Hause zurück.«
Er schürzte vor Enttäuschung die fleischigen Lippen. »Das ist schade. Woher kommst du denn?«
»Aus Franken im Reich des Kaisers.«
»Ah!« Er lächelte und sprach zu ihrer Überraschung in gebrochenem Deutsch weiter. »Ich reisen ins Kaiserreich, vor langer Zeit. Freue mich, wenn ich üben kann zu sprechen. Gestern erst eine Ritter aus die Frankenland bei mir war. Auch ein schöner
Mann, nicht so blond wie du und auch älter, aber schön, sehr schön.«
Julianas Herz begann zu rasen. »Er war hier? Erst
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