Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
finden. Dort, in den düsteren Schatten, stehen der Vater und Ritter Konrad von Weinsberg, den sie deutlich an seinem prächtigen silbernen Gewand erkennt, obwohl er ihr den Rücken zukehrt. Der Waffenknecht ist nicht zu sehen. Auf dem Weg zum Aborterker sind die beiden Ritter sicher nicht, und auch die Grube befindet sich in einer anderen Ecke des Hofes. Ein ungewöhnlicher Ort für den Herrn der Burg, mit einem hohen Gast eine Unterhaltung zu führen!
»Das war abgemacht!«, erklingt eben die Stimme des Vaters ungewöhnlich barsch. »Es war Teil eines Geschäfts.«
»Nein, Ritter Kraft, da muss ich Euch korrigieren. An ein Geschäft kann ich mich nicht erinnern. Ich habe Euch lediglich gebeten, mir aus einer – sagen wir – unangenehmen Lage zu helfen, und Ihr wart so freundlich – nun, ja, die Sache aus der Welt zu schaffen.« Der Weinsberger spricht leise. Seine Worte umschmeicheln das Ohr.
»Aus der Welt zu schaffen?« Kraft von Ehrenberg streckt den Zeigefinger aus, so dass es aussieht, als würde er auf den nun in finstere Schatten gehüllten Bergfried deuten. »Die Sache, wie Ihr es nennt, ist nicht aus der Welt geschafft. Sie ist hier und mahnt jeden Tag mein Gewissen!«
»Hier?« Juliana stellt sich vor, wie der Weinsberger ungläubig die Augenbrauen hebt. »Das meint Ihr nicht ernsthaft.«
»Oh doch, das meine ich völlig ernst«, zischt der Vater, der dem Mädchen ungewöhnlich erregt vorkommt.
Der Weinsberger stößt einen Pfiff aus. »Ihr wollt mir erzählen, Ihr habt in dieser langen Zeit nichts weiter unternommen, um die Spuren dieses Vorfalls …«
»Es war kein Vorfall«, unterbricht ihn der Ritter von Ehrenberg. »Ihr habt es von mir verlangt, als Bezahlung für Eure Zustimmung.«
»Wohlwollen! Ich erinnere mich genau, mein Wort lautete Wohlwollen. Ich weiß nicht, worüber Ihr Euch ereifert. Ich habe es Euch gegeben und nicht wieder von Eurer Familie genommen.«
»Was nützt mir Euer Wohlwollen ohne einen Ehevertrag?«, hört sie den Vater schimpfen.
Konrad von Weinsberg hebt die Schultern und lässt sie wieder fallen. »Ich denke, in diesen schwierigen Zeiten ist es immer von Vorteil, Verbündete an seiner Seite zu wissen. Und außerdem habe ich mich Euren Plänen ja nicht grundsätzlich verweigert. Es ist nur – nun, ich muss noch eine andere Möglichkeit prüfen …«
»Die Euch mehr Vorteile bringen würden, als eine edle Tochter aus dem Haus von Ehrenberg?«
»Ja, richtig. Was bringt Eure Tochter schon mit außer ihrer Ehre und ein wenig Mitgift? Ja, wenn sie die Burg erben und ihr Gemahl den Titel bekommen würde, dann wäre ihr Wert ein ganz anderer, doch so wie es im Moment aussieht, wird der Knabe Johannes den Titel bekommen und hier später seine Familie heimführen, oder nicht?«
»Deshalb habe ich mich Euch verpflichtet, das wisst Ihr genau!« , erhebt der Vater die Stimme.
»Mäßigt Euch«, rät ihm der Weinsberger. »Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Ihr tut ja gerade so, als sei die Sache von größter Dringlichkeit und dulde keinen Aufschub. Es ist doch nicht etwas mit ihr, das ich wissen sollte?«
»Wagt es nicht, ihre Ehre anzuzweifeln!«, entrüstet sich der Hausherr.
»Dann verstehe ich Euer Drängen nicht«, sagt der Weinsberger und wendet sich ab. Kraft von Ehrenberg greift nach seinem Arm und hält ihn auf.
»Wie Ihr Euch auch dreht und wendet, wir haben eine Abmachung getroffen, und ich bestehe darauf, dass Ihr sie einhaltet. Also sorgt dafür, dass Euer Sohn sich nicht anderweitig verpflichtet.«
Der Weinsberger sieht den Hausherrn lange schweigend an, dann löst er seinen Arm mit einem Ruck aus dessen Griff. Ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, geht er davon. Juliana hört den Vater vor sich hin murmeln, versteht aber nicht, was er sagt, da sie sich rasch um die Ecke zurückziehen muss. Sie läuft an der Wand entlang und drückt sich auf der anderen Seite des Turms in den Stall. Eine Weile bleibt sie hier und streichelt eine braune Stute. Nach einer Leckerei fordernd stupst sie das Mädchen immer wieder an, aber Juliana achtet nicht auf sie. Ihre Gedanken folgen noch einmal dem Gespräch der beiden Männer, das ihr ein Rätsel aufgibt. Wie kann sie den Vater auf das Geheimnis ansprechen, ohne zu verraten, dass sie ihm gefolgt ist und gelauscht hat?
Nach einer Weile gibt sie die Grübelei auf, ohne eine Lösung gefunden zu haben. Vielleicht ist es eine gute Idee, in die Halle zurückzukehren und sich um Carl von Weinsberg zu
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