Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Fest?«, fragt Juliana ihren Freund Wolf von Neipperg, der seit seinem siebten Jahr dem Vater erst als Page und nun seit dem Neujahrstag als Knappe dient. Der Junge zuckt mit den Schultern. Er ist dem Mädchen nicht nur drei Lebensjahre sondern auch eine Hauptlänge voraus.
»Weiß nicht. Ich denke, ich werde mitmüssen, wenn der Ritter es befiehlt.«
Juliana reißt die Augen auf. »Ja willst du denn nicht mitkommen auf das Fest? All die feinen Leute sehen und dann das üppige Mahl!«
»Nun ja, das Essen ist es schon wert«, räumt Wolf ein, »die meisten Ritter jedoch kenne ich schon von der Falkenbeize und dem letzten Turnier.«
»Nicht die Ritter, die der König mitbringt«, widerspricht Juliana.
Der Junge nickt. »Ja, aber was ist an denen anders als an unseren hier im Neckartal?«
»Und die Damen, interessieren die dich gar nicht?«, neckt ihn seine Freundin.
»Nein. Die sind entweder langweilig und reden nur über Putz und Tand, oder sie reißen an den Nerven mit ihrem albernen Lachen und Kreischen.«
Juliana schiebt schmollend die Unterlippe vor. »Ach, so denkst du also über die Fräulein. Das ist gut zu wissen.« Sie verschränkt die Arme vor der Brust und wendet den Kopf ab. Ihr Begleiter sieht sie überrascht an, doch dann geht ihm ein Licht auf.
»Ich meine ja nicht dich. Nur die anderen Mädchen. Du bist meine Freundin.«
Seine Worte versöhnen Juliana. »Wollen wir auf den Bergfried steigen und Samuel besuchen?« Wolf nickt, und so machen sich die beiden Kinder auf, die unzähligen Stufen zu erklimmen.
Anders als bei den anderen Burgen im Neckartal steht der Bergfried von Ehrenberg außerhalb der eigentlichen Burg. Die Schildmauer umringt den Palas und kleinen Wohnanbau, der sich im Süden anschließt, das Waschhaus, die Baracke der Mägde und Knechte und einen kleinen Stall, in dem die wertvollsten Pferde des Ehrenbergers stehen und seine Greife auf ihren Stangen sitzen. Der große Stall, die Scheunen und andere Lagerhütten lehnen unten im Zwinger an der äußeren Mauer. Um von der inneren Burg, die auf einem Felsen erbaut ist, zum unteren Tor zu gelangen, muss man einer grasigen Rampe folgen, die, wie eine Schnecke, sich steil um die Burg herabwindet. Sie führt durch das obere Tor, das von zwei Burgmannen bewacht wird, nach Norden, dann auf den Westhang zu und in einem engen Spalt zwischen Schildmauer und Bergfried hindurch. Kaum eine Karrenbreite misst der Weg, der sich von der darüber aufragenden Mauer aus gut verteidigen lässt. Einen Torturm und zwei Sperrmauern, deren Torflügel in Friedenszeiten jedoch offen stehen, muss man noch passieren, ehe man unten im Zwinger ankommt. Ein Wächter und ein Botenjunge, der Besucher zu melden hat, sitzen am Zwingertor, durch das man Ehrenberg verlässt.
Es ist eine prächtige Anlage, und der Vater ist stolz, die Schutzburg der Pfalz vom Wormser Bischof zum Lehen zu haben. Vorväter des Ehrenbergers haben diese mächtigen Mauern erbaut und vor allem den Bergfried, der mit seinen siebzig Schritt Höhe der höchste im ganzen Neckartal ist. Der einzige Zugang zu der letzten Zuflucht der Ehrenberger ist ein schmaler Holzsteg, der von der Schildmauer in luftiger Höhe zum Eingang hinüberführt.
Juliana und Wolf stürmen die Holztreppe zum Wehrgang hinauf, überqueren den Steg und steigen die Stufen bis zur Plattform hinauf. Ein Spitzdach schützt den Türmer vor Regen und Sonne, der Wind braust hier oben allerdings zu jeder Jahreszeit kalt zwischen den Zinnen hindurch.
Samuel empfängt die beiden Kinder mit einem Lächeln.
Sie mögen den alten Türmer, der fast nie zur Burg hinabsteigt, sich aber immer über ihren Besuch freut, und der – obwohl er die meiste Zeit hier oben sitzt und über das Land schaut – viele, spannende Geschichten zu berichten weiß. Juliana ist ganz außer Atem, als sie endlich auf die Plattform hinaustritt. Von hier aus reicht ihr Blick nach Süden über den grasigen Höhenzug bis zu den Zinnen der Kaiserpfalz und im Norden und Osten über den Neckar hinweg zu Dörfern und Gehöften und den anderen Burgen des Kaisers. Aber auch die Bischöfe von Worms und Speyer nennen im Neckarraum reichen Besitz ihr Eigen, den sie den Ritterfamilien zu Lehen geben.
»Ich werde grüne Ärmel zu meinem Surkot tragen, berichtet Juliana dem Türmer. »Und ein Schapel aus Gold mit roten Steinen.«
»Wen interessiert das?«, unterbricht Wolf die Freundin. »Ich habe viel spannendere Neuigkeiten. Als ich mit dem Ritter die vergangenen
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