Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Templer Jean de Folliaco und der Wappner des Ermordeten, Bruder Humbert. Wie kamen sie von Burg Ehrenberg plötzlich hierher?
Ritter Raymond unterbrach ihre Gedanken. Er griff nach ihren Oberarmen und schüttelte sie, dass ihre Zähne aufeinander schlugen.
»Verfluchtes Weibstück, wie hast du uns genarrt!«
Vergeblich versuchte sie sich loszureißen. »Was wollt Ihr von mir?«
Noch einmal schüttelte er sie. »Den Brief! Gib uns den Brief, den Swicker dir gegeben hat.«
»Mir gegeben? Der Ritter Swicker von Gemmingen-Streichenberg? Aber nein, das muss ein Irrtum sein. Er hat mir
nichts gegeben – keinen Brief, nur eine kleine Muschelschale vom Ende der Welt.«
»Nun nehmt ihr schon den Rucksack und die Tasche ab«, rief der Franzose ungeduldig und schwang sich nun auch aus dem Sattel. »Und wenn wir nichts finden, dann reißen wir ihr die Kleider runter! Irgendwo muss der Brief sein.«
Juliana sah sich Hilfe suchend um. Die Frauen waren mit ihren Kindern in den Hütten verschwunden, sobald die Reiter im Dorf erschienen. Sollte sie schreien? Wer könnte sie hören? Der Pfarrer? Ein paar dienende Brüder, die sich hier um Pilger kümmerten?
Der Franzose zog sein Messer aus der Scheide. »Wirf deine Bündel herüber!«
Juliana streifte den Rucksack ab und warf die Umhängetasche hinterher. »Da seht selber nach. Ich habe keinen Brief bei mir!«
Der Franzose gab dem Wappner einen Wink. Der kniete nieder und schüttete Julianas Sachen auf den staubigen Boden. Achtlos wühlte er darin herum und zog dann mit einem Aufschrei den Umschlag mit ihren kleinen Kostbarkeiten zwischen ihrer Wäsche hervor. Jean de Folliaco riss ihn dem Bruder aus der Hand.
»Da!«, schrie er und schwenkte triumphierend das teure, geprägte Pergament. Dann bemerkte er, dass das Siegel gebrochen war. Hastig schlug er das Blatt auseinander. Ein besticktes Tuch, ein rosafarbenes Seidenband, eine Glocke, eine durchbohrte Münze und eine Muschelschale fielen zu Boden. Ungläubig starrte der Franzose von den Gegenständen zu seinen Füßen auf das leere Blatt in seiner Hand.
»Wo ist der Brief?«, kreischte er und stürmte auf Juliana zu. Es kümmerte ihn nicht, dass er auf ihre Habseligkeiten trat. Die Muschelschale zerbrach unter seinem Stiefel. Ritter Raymond holte aus und schlug ihr mit seinem Lederhandschuh ins Gesicht. Juliana schrie vor Überraschung und Schmerz. Aus den Augenwinkeln sah sie zwei Männer aus der Kirche stürmen.
»Lass sie sofort los«, brüllte der eine, dessen Stimme ihr seltsamerweise vertraut vorkam.
Ihre Peiniger kümmerten sich nicht darum. Raymond de Crest schlug sie ein zweites Mal. »Wo ist der Brief?«
»Ich habe ihn!«
Julianas Knie gaben nach.
»Lasst meine Tochter gehen!«
Der Ritter ließ sie los, und mit einem Schluchzen fiel Juliana zu Boden. Langsam gingen die drei Angreifer auf das Kirchenportal zu. Sie zogen ihre Schwerter.
»Gebt mir den Brief!«, sagte Jean de Folliaco ruhig.
»Nein! Niemals! Ich habe ihm in der Stunde seines Todes geschworen, dass er nicht in die Hände seines Mörders fallen wird, und ich habe vor, mein Versprechen zu halten.«
Juliana sah auf und starrte den Vater an, neben dem André stand, der nun ebenfalls sein Schwert zog. – Seit wann trug er ein Schwert?
Auch der Ritter von Ehrenberg hob seine Klinge. »Für die Ehre der Templer! Das ist dein Ende, französischer Spitzel!«
Die Klingen trafen aufeinander. André focht mit dem Wappner, während die anderen beiden auf den Vater eindrangen. Juliana kreischte um Hilfe. Zwei junge Männer in Kutten kamen angerannt, ein ältlicher Pfarrer folgte ihnen. Hilflos sahen sie auf die Kämpfenden vor dem Kirchenportal, griffen aber nicht ein, da keiner von ihnen eine Waffe trug. Der Pfarrer packte Juliana an den Handgelenken, zog sie an den Rand des Platzes und schickte einen der jungen Benediktiner davon. Mit fliegendem Habit rannte er los. Der Pfarrer hielt die Taille des Mädchens umklammert.
»¡Quédate aquí, chico loco!«, schimpfte er. Aber Juliana wollte nicht bei ihm bleiben, auch wenn es verrückt war. Sie musste dem Vater und André beistehen! Doch der Griff, der sie umklammerte, war für einen alten Mann erstaunlich fest.
Sie sah, wie Raymonds Schwert in des Vaters Seite stieß. Juliana schrie.
»Töte ihn nicht«, rief der Franzose, »ich muss ihm noch ein paar Fragen stellen. Den anderen brauche ich nicht.«
André verletzte den Wappner am Arm. Das Mädchen sah, dass der Vater nicht mehr lange gegen die
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