Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Kraut und wie man es zubereiten muss. Man kann es bei Krankheiten des Magens und des unteren Leibes verwenden. In kleinen Dosen reinigt es und löst Verstopfung.«
»Ich weiß, ich kenne mich damit aus. Habt Ihr es da?«, drängte Bruder Rupert.
Der andere zögerte. »Ich habe hier ein Fläschchen. Ich könnte Euch den Saft so verdünnen, dass er keinen Schaden anrichten kann. In dieser Form, in der ich ihn hier habe, kann es leicht geschehen, dass er einen für Tage auf das Krankenlager wirft oder sogar zum Tode führt. Dazu reicht ein einziger Löffel voll! Man kann es nicht herausschmecken, wenn der Saft in Wein oder Met verabreicht wird«, warnte der Templer.
»Ein nicht zu verachtender Vorteil«, sagte Bruder Rupert grimmig. »Gebt mir das Fläschchen, ich werde Euch gut bezahlen.«
Der Templerbruder war nicht überzeugt. »Ihr seid bei bester Gesundheit, und auch Euer junger Reisebegleiter scheint mir nicht an verstopften Gedärmen zu leiden. Wollt Ihr mir nicht sagen, wofür Ihr den Saft benötigt?«
»Nein, eigentlich nicht. Was Ihr nicht wisst, Bruder, über das müsst Ihr Euch auch nicht den Kopf zerbrechen. Ich versichere Euch, dass ich es weder selber schlucken noch es meinem jungen Freund in seinen Wein mischen werde.«
»Ich kann nicht zulassen, dass Ihr einem Mitglied der Bruderschaft Schaden zufügt«, wehrte der Mann ab.
»Ich schwöre Euch bei der Jungfrau Maria, die Ihr Templer über alles verehrt, dass ich keinem Menschen dieser Gemeinschaft hier Übles will! Bitte, gebt mir das Fläschchen.«
»Nun, dann bleiben nicht viele übrig«, kombinierte der Bruder. »Könnte es sein, dass wir zwei Gäste für ein paar Tage mehr als geplant in unseren Mauern beherbergen müssen?«
»Schafft sie doch ins Spital«, sagte Bruder Rupert kalt.
»Dann gebt Acht mit der Menge, sonst sind sie nur noch Arbeit für den Totengräber.«
Der Bettelmönch stieß einen verächtlichen Laut aus. »Auch das würde mich nicht kümmern, wenn ich sie nur endlich loswerde. Ich gebe Euch noch eine Münze, falls sie Euch am Ende mehr Ärger bereiten als erwartet.«
Juliana presste sich die Hand vor den Mund, um keinen Laut von sich zu geben. Er war bereit, die anderen beiden heimtückisch zu ermorden! Warum wollte er sie aus dem Weg schaffen? Um mit ihr ein leichtes Spiel zu haben? Sie hatte Recht gehabt, ihm stets zu misstrauen – aber waren Pater Bertran und der Ritter ihre Freunde? Der Ritter nicht, das wusste sie, seit sie das Gespräch im Wirtshaus belauscht hatte. Nun war allerdings klar, dass nicht Bruder Rupert der zweite Mann im Zimmer gewesen sein konnte. War es möglich, dass der asketische Pater mit Raymond unter einer Decke steckte? Immerhin waren sie heute zusammen zur Burg gekommen – zu Pferd! Einerseits drängte es Juliana, die beiden Mitreisenden zu warnen, anderseits
musste sie fürchten, vom Regen in die Traufe zu geraten.
Drinnen hörte sie Geldmünzen klirren. Es wurde Zeit, diesen Ort zu verlassen. Lautlos huschte sie zurück und lag bereits wieder unter ihrer Decke, als Bruder Rupert zurückkam. Er stellte ein kleines Fläschchen neben sein Bündel auf den Boden und fiel dann in tiefen Schlaf.
Juliana wartete, bis sein Schnarchen den Raum erfüllte. Dann tastete sie sich zu seinem Lager, nahm das Fläschchen und Bruder Ruperts Kürbisflasche und schlich noch einmal hinaus. Der Mond war inzwischen aufgegangen und spendete ihr genug Licht für ihr Vorhaben. Sie zog den Korken, schüttete ein Drittel in die Kürbisflasche und füllte dann das Fläschchen wieder mit Wasser auf. Dann brachte sie beides zurück an seinen Platz.
»Was siehst du mich dauernd so an? Ist irgendetwas?«, brummte Bruder Rupert. »Es müsste dich doch freuen, dass ich mich deinem Willen beuge und wir weiter nach Westen ziehen.«
Juliana wandte den Blick ab. Drei Stunden waren sie nun schon unterwegs, aber der Bettelmönch schien sich nach wie vor prächtiger Gesundheit zu erfreuen. Hatte er gar die Flasche ausgeschüttet und mit frischem Wasser gefüllt, bevor sie die Burg verließen? Oder hatte er nur noch nicht aus seiner Kürbisflasche getrunken? Sie ließ ihn nicht aus den Augen und beobachtete genau, was er tat. Hatte sie den Kräutersud vielleicht zu sehr verdünnt?
Dass er in der richtigen Konzentration wirkte – und zwar schnell –, hatte Juliana am Morgen miterlebt. Ritter Raymond und Pater Bertran hatten ihren Morgenbrei noch nicht leer gelöffelt, als sie kurz nacheinander in höchster Eile aus dem
Weitere Kostenlose Bücher