Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Reihen des Mauerwerks der Häuser sehen konnte. Die Stadt am Zusammenfluss von Burbia und Valcárcel stand mit ihren tiefer gelegenen Vierteln nach der Schneeschmelze regelmäßig unter Wasser.
Juliana folgte dem Tal des Río Valcárcel, dessen Flanken sich beängstigend eng über ihr erhoben. Der erste Ort lag unterhalb einer trutzigen Burg und bot eine kleine Kirche und ein Spital, doch das Mädchen trieb es weiter. Längst lag das Tal schon im Schatten, als die letzten Sonnenstrahlen eine zweite Festung oben auf dem Berghang streiften. Ein paar Bauernhäuser drängten sich am Flussufer, doch keine Herberge ließ sich finden. Die Nacht brach nun schnell herein, und so war das Mädchen gezwungen, in einem Heuschober Schutz zu suchen. Sie fand kaum Schlaf in dieser Nacht, und im ersten Licht des Tages setzte sie ihren Weg fort. Eine dritte Burg tauchte nun über dem linken Talhang auf. Juliana passierte mehrere kleine Dörfer, erbettelte sich Brot und einen Becher Ziegenmilch und strebte, so schnell ihre Beine sie trugen, auf die Bergkette zu, die im Licht der Morgensonne golden erstrahlte.
Nach dem Hospital de los Ingleses entfernte sich der Weg vom Bach und wand sich steil einen bewaldeten Hang hinauf. Juliana keuchte und schwitzte, obwohl es immer kühler wurde,
je höher sie stieg. Es war ihr sogar zu anstrengend, über den seltsamen Namen des Dorfes nachzudenken. Engländer? Was hatten diese hier zu suchen? Beim Spital hatte sie jedenfalls nur dunkelhaarige Laienmönche gesehen.
Der Pfad war nun mit Steinplatten belegt und vertiefte sich zu einem Hohlweg zwischen steinigen Böschungen. Buchen und Eichen verwoben über ihr die knorrigen Äste zu einem dichten Dach. Dann ließ das Mädchen den Wald hinter sich. Ein paar Höfe klebten an einem steilen Wiesenhang, Ziegen kamen ihr entgegen und meckerten. Ein paar Hunde kläfften, als sie den Weiler passierte. An einem Brunnen füllte sie ihre Flasche. Für eine kurze Erholungspause verflachte sich der Pfad und führte über eine saftig-grüne Bergkuppe, doch die Atempause währte nicht lang. Zwischen stacheligen Büschen von bläulichem Grün, Heidekraut und Ginster ging es weiter. Felsbänder ragten aus der rechten Wegböschung, während sich links der Blick zurück über die Landschaft des Bierzos öffnete. Die Sonne verzog sich hinter dichten Wolken, und ein kalter Wind zerrte an ihrem Mantel. Weiter, immer weiter. Wenn nur ihre Füße nicht so brennen und ihr Rücken nicht so schmerzen würden. Durst und Hunger plagten sie, aber sie wollte ihre Flasche nicht schon wieder leeren. Wer konnte sagen, ob sie auf der Höhe oben sauberes Wasser bekam?
Der Pass rückte näher. Zu beiden Seiten erhoben sich felsige Berggipfel. Juliana stolperte über den steinigen Pfad weiter. War das der Klang einer Glocke? Sie lauschte. Der Wind pfiff in ihren Ohren, doch darunter mischte sich der helle Klang einer Glocke. Sie hastete weiter. Da kamen die ersten Dächer und über ihnen der aus grauen Bruchsteinen gemauerte Glockenturm der Kirche in Sicht.
Die Häuser auf dem Cebreropass waren runde, strohgedeckte Pallozas, wie sie Juliana bereits in der äußeren Burg von Ponferrada
und ein paarmal auf ihrem Weg zum Pass gesehen hatte. Drei in Schwarz gehüllte Frauen saßen auf einem kleinen Platz und säuberten Gemüse. Zwei halb nackte Kinder spielten zwischen den Häusern. Männer konnte Juliana nicht sehen. Sicher waren sie mit den Ziegen draußen oder schlugen Holz. Das Dorf machte einen ärmlichen Eindruck. Kein Wunder. Juliana fragte sich gar, wie diese Menschen hier oben überhaupt überleben konnten. Wieder schlug die Glocke auf dem gedrungenen, quadratischen Turm. Sollte sie den Pfarrer aufsuchen? Das Mädchen war noch keine fünf Schritte auf das Portal zugegangen, als Hufschlag sie innehalten ließ. Drei Pferde, denen man die Strapaze des Aufstieges ansah, trabten auf den Kirchhof.
»Da ist sie!«, rief der erste Reiter, brachte den falben Wallach vor ihr zum Stehen und sprang aus dem Sattel. Juliana öffnete tonlos den Mund und schloss ihn dann wieder. Es war nicht der Anblick des Ritters Raymond de Crest, der ihr die Sprache raubte – wenn sie sich auch darüber wunderte, dass er so rasch von seinem Unwohlsein genesen war. Nein, die beiden anderen Reiter, die nun ebenfalls abgestiegen waren, ließen sie nach Luft schnappen. Sie blinzelte heftig, doch die beiden waren keine Trugbilder. Vor ihr standen, höchst lebendig und mit grimmigen Mienen: der französische
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