Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Herzschlag unter seinen Händen den regelmäßigen Rhythmus verliert. »Habt Ihr ihn bei Euch?«
Swickers Mundwinkel zucken. »Darauf hat dieser Verräter gehofft, doch er wurde enttäuscht. Er wollte mir das Versteck gerade herausprügeln, als Ihr ihn zum Glück gestört habt.« Er hustet.
»Wo ist der Brief?«
»Auf Ehrenberg. De Folliaco hat mich fast erwischt, als ich seine Sachen durchwühlte, daher konnte ich ihn nur rasch unter die Truhe schieben. Ich wollte ihn später holen, hatte aber keine Gelegenheit mehr, unbeobachtet zurückzuschleichen, denn er hatte das Fehlen des Briefes bereits entdeckt und ließ mich nicht mehr aus den Augen.« Swicker keucht und schließt die Augen. »Der Franzose darf nicht wissen, dass ich mit Euch gesprochen habe!«, flüstert er. »Bitte, sorgt dafür, dass der Brief sein Ziel rechtzeitig erreicht.«
Die letzten Worte spricht er so leise, dass der Ehrenberger sie eher ahnt, als dass er sie hören kann. Dann fällt der Kopf des Templers zur Seite, und der Blick wird starr. Ohne darüber nachzudenken, zieht Kraft von Ehrenberg das Messer aus der Brust. Er starrt auf den Toten herab.
Einen Brief unbemerkt nach Hispanien tragen! Wie stellt Swicker sich das vor? Er weiß ja nicht einmal, was in diesem Brief steht. Wie kann er sicher sein, dass wirklich eine Verschwörung geplant ist? Darf er das Siegel des französischen Königs brechen?
Nein, Kraft von Ehrenberg will nicht weggehen, nicht für
einen Tempelritter, den er kaum gekannt hat. Was geht es ihn an? Ja, er hat es ihm versprochen. Er kann ja einen Boten suchen und ihn nach Kastilien schicken.
Das ist nicht, was du ihm gelobt hast, mahnt ihn eine Stimme. Unvermittelt wandern seine Gedanken ein paar Jahre zurück und führen ihn zu seiner größten Schmach. Er hat es zugelassen, dass ein Ritter in seinem eigenen Verlies schändlich verderben musste, nur weil er nicht den Mut fand, gegen den Weinsberger vorzugehen, und weil er eine gute Heirat für seine Tochter arrangieren wollte. Gott muss ihm dafür zürnen! Sein Gewissen jedenfalls kommt seit dieser Zeit nicht mehr zur Ruhe. Nacht um Nacht quält ihn seine Tat.
Hat Gott ihm diese Aufgabe geschickt, um zu sühnen? Wie wird der Herr ihn strafen, wenn er nun auch noch ein Versprechen bricht, das er einem Sterbenden gegeben hat? Er sieht auf seine blutigen Hände hinab und auf die Klinge, die den Vetter seiner Gattin getötet hat.
Wäre er nur nicht in die Kapelle gegangen, dann hätte er nun mit der ganzen Sache nichts zu tun. Sogleich schämt er sich seiner Gedanken.
Plötzlich vernimmt er Schritte und Stimmen. Ist das Juliana? Nein, das kann nicht sein. Was hätte sie zu dieser Stunde in der Pfalz zu suchen?
Der Ritter von Ehrenberg kniet neben dem Toten, den Dolch in der Hand, und starrt auf die Tür, die mit Schwung aufgestoßen wird. Es ist Juliana, die mit der Mutter und dem Dekan von Hauenstein in die Kirche tritt. Das unschuldige Mädchengesicht wird vom Grauen überflutet. Juliana erstarrte, wie ihr Vater, und sieht ihn sprachlos an. In ihren Augen kann er die ungläubige Frage lesen: Vater, warum habt Ihr ihn ermordet? Wie konntet Ihr so etwas tun? Die fassungslose Enttäuschung in ihrem Blick trifft ihn, als würde sich die Klinge in sein Herz bohren.
Fast überrascht stellt er fest, dass, so wie sich ihr das Bild darbietet, sie gar nicht anders kann, als ihn für den Mörder zu
halten. Dennoch zuckt er zusammen, als der Wappner hereinkommt und die Anklage laut herausschreit. Auch der Franzose ist plötzlich da.
Da steht er, der wahre Mörder! In Ritter Krafts Kopf beginnt es zu rauschen. Ist es klug, ihn zu bezichtigen? Wird ihm jemand Glauben schenken? Er hält das blutige Messer in der Hand, und der Templer vor ihm ist tot. Der Ehrenberger sucht den Blick des Freundes und bittet ihn stumm um Rat. Dekan von Hauenstein versteht und schickt alle hinaus, um die unglaubliche Geschichte des Ritters von Ehrenberg zu erfahren. Schweigend hört er zu.
»Ereilt mich nun die Strafe, die ich verdiene?«, fragt der Ehrenberger. »Bin ich nicht schon vor langer Zeit zum Mörder geworden?«
»Seid still und hört mir zu«, unterbricht Gerold von Hauenstein die reuigen Worte. »Ich werde ihnen berichten, dass er sofort tot war und nichts mehr sagen konnte. Glaubt mir, mein Freund, es ist besser so.«
»O ja«, sagt der Vater mit bitterer Stimme. »Wer ist schon bereit, sich die ganze Wahrheit anzuhören…«
»… und ihr dann noch Glauben zu schenken«, fügt
Weitere Kostenlose Bücher