Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Vom Orden der Templer allerdings hält der Ritter nicht viel. Es gibt so viele
Gerüchte über sie, und ihr Stolz und ihre Raffgier sind geradezu sprichwörtlich. Wenn schon Mönche das Schwert in die Hand nehmen, dann bevorzugt er die Deutschordensritter. Er kennt einige der Männer von Horneck, drüben auf der anderen Neckarseite.
Kraft von Ehrenberg greift nach dem Türknauf. Ein seltsames Gefühl überfällt ihn. Es ist ihm, als sei es plötzlich kälter und dunkler geworden. Unwillig schüttelt er den Kopf und stößt die Tür auf.
»Swicker, seid Ihr hier?«, ruft er, noch ehe er in das Kirchenschiff sehen kann. Er hört ein Geräusch. Schritte, die sich rasch entfernen. »Ritter Swicker?«
Zwei Öllampen auf dem Altar verbreiten rötliches Licht. Sein Blick schweift durch die kleine Kirche. Ein Stöhnen lässt ihn seine Aufmerksamkeit dem Altar zuwenden. Etwas Großes, Weißes liegt dort auf dem Boden. Noch während der Ehrenberger sich mit großen Schritten nähert, erkennt er das rote Tatzenkreuz auf dem Mantel. Er lässt sich auf die Knie fallen und umfasst den zusammengekrümmten Körper. Der Lichtschein erfasst die Gesichtszüge des Templers Swicker. Seine Frage bleibt dem Ehrenberger im Hals stecken, als er den Dolchgriff aus dessen Brust ragen sieht. Helles Blut breitet sich rasch über dem weißen Gewand aus. Er fühlt, dass das Herz noch schlägt. Kraft von Ehrenberg umklammert den Dolchgriff. Da schlägt der Templer die Augen auf.
»Lasst ihn stecken, Ihr könnt mich nicht retten. Wenn Ihr die Klinge herauszieht, verblute ich nur noch schneller. Vielleicht bleiben mir so noch ein paar Augenblicke, die ich dringend brauche.«
»Wer hat Euch das angetan?«, keucht der Ehrenberger, die Hände noch immer um den Dolchgriff gelegt.
»Was glaubt Ihr denn? Der Franzose natürlich! Ich war einfältig und ließ es zu, dass er meinen eigenen Dolch gegen mich erhob.« Kraft von Ehrenberg öffnet den Mund, doch der sterbende Ritter unterbricht ihn.
»Hört zu. Ich hatte Recht! Jean de Folliaco spielt ein doppeltes Spiel, und er dachte, ein Tölpel aus dem fernen Kastilien wird keine Fragen stellen. Er hat nicht vor, für unseren Großmeister Aufträge zu erledigen, er ist für den König von Frankreich unterwegs!«
Kraft von Ehrenberg runzelt die Stirn. »Das verstehe ich nicht. Ist der König nicht der Freund der Templer? Hat er sich nicht viel Geld von den Tempelrittern geliehen?«
»Genau«, nickt Swicker und stöhnt. »Gerade deshalb fürchten einige hohe Männer des Ordens, Philipp der Schöne habe eine Teufelei gegen uns im Sinn.« Er hustet. Zwei Blutfäden rinnen aus seinen Mundwinkeln. Er legt seine eigenen Hände um die des Ritters. »Helft mir! Bitte schwört mir, dass Ihr mir helft. Erfüllt die letzte Bitte eines Sterbenden.«
»Nun gut, ich schwöre es«, stimmt der Ritter zögernd zu.
»Ich habe das Bündel des Franzosen durchsucht und einen Brief auf teurem Pergament gefunden. Er trägt unser Siegel, doch ich brach es. Darin fand ich noch ein versiegeltes Schreiben, an den König von Ungarn – verschlossen mit dem königlichen Siegel von Philipp dem Schönen! Und ein Datum steht darauf: erst zu öffnen am Morgen des 13. Oktobers im Jahre des Herrn 1307. Ich sage Euch, da ist etwas im Gange, das mich frösteln lässt.«
Kraft von Ehrenberg sieht, wie die Haare an den Unterarmen des Templers sich aufstellen, doch er ahnt, dass es nicht die Angst vor der Verschwörung ist, sondern der Tod, der nach dem Ritter greift. Seine Stimme wird schwächer, und der Ehrenberger muss sich tief hinabbeugen, um ihn noch zu verstehen.
»König Philipp plant etwas. Ungarn ist heute nur noch eine französische Garnison, die an seinen Fäden tanzt. Wir wissen nicht mehr, wem wir trauen können. Der Brief muss in die richtigen Hände! Sorgt dafür, dass mein Comandador Don Fernando Muñiz ihn erhält oder gebt ihn meinem Bruder Tempelritter Sebastian. Sie werden wissen, was zu tun ist. Seht das Datum. Ihr habt genug Zeit, im Verborgenen zu reisen.«
»Nach Kastilien?«, stößt der Ehrenberger entsetzt aus.
»Ja, zur Festung von Ponferrada. Ich warne Euch, hütet Euch vor dem Franzosen. Jean de Folliaco wird wieder töten, um den Brief zurückzubekommen. Er wird sich Eurer Familie bedienen, um Euch gefügig zu machen, wenn er Verdacht schöpft. Traut ihm das Schlimmste zu, dann könnt Ihr nicht überrascht werden.«
»Ja, und wo ist der Brief?«, drängt Kraft von Ehrenberg, der spürt, wie der
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