Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Schreiben.
»Ihr habt es nicht geöffnet? Aber dann wisst Ihr noch immer nicht, ob es so wichtig ist, wie Swicker angenommen hat. Wo ist der Beweis, dass es um eine große Verschwörung geht?«
Der Vater lachte kurz auf und hustete Blut. Er zog eine grimmige Miene, die von seinen Schmerzen sprach. »Ist nicht die Anstrengung, die die Männer unternommen haben, das Schreiben wieder in ihre Hände zu bekommen, Beweis genug? Sieh, auf der anderen Seite steht geschrieben, dass der ungarische König seine Kommissäre und Seneschalle am Morgen des 13. Oktobers versammeln soll, wenn er den Brief öffnet, und alle Anweisungen sofort zu befolgen hat.«
»Aber wir haben bereits Oktober«, rief das Mädchen. »Was ist morgen für ein Tag? Der des heiligen Dionysius oder des heiligen Viktors?«
»Viktor«, nickte der Ritter von Ehrenberg, »der 10. Oktober. Die Zeit drängt. Deshalb wollte ich nicht länger in Ponferrada auf den Comandador warten, sondern bin ihm entgegengeeilt.«
Juliana wollte ihm den Brief zurückgeben, aber der Vater wehrte ab. »Du bist mir bis hierher gefolgt, und eigentlich müsste ich dir für deinen Ungehorsam zürnen und dich strafen, meine Tochter. Stattdessen übertrage ich dir nun die Pflicht, meine Aufgabe zu Ende zu bringen. Sieh, der Tod grinst mir
schon ins Gesicht. Mach dich auf und sorge dafür, dass Don Fernando das Schreiben vor dem 13. Oktober erhält.«
»Nein!«, begehrte Juliana auf und umarmte den Vater. »Euch wird es bald besser gehen. »Ich lasse Euch hier nicht allein zurück.«
»Du musst! Ich befehle es dir. Gib Don Fernando den Brief, und reise dann nach Santiago und bete für meine Seele. Es ist wahr, gegen den Templer Swicker habe ich nicht gesündigt, aber ich trage eine andere Last mit mir herum, die nur am Grab des Apostels Vergebung finden kann.« Über sein Gesicht legte sich ein Schatten. »Ich kann nicht darüber reden!«, wehrte er ab und senkte den Blick.
»Ihr sprecht von dem toten Ritter im Verlies des Bergfrieds, nicht wahr?«
Kraft von Ehrenberg fuhr hoch und stieß einen Schrei der Überraschung und des Schmerzes aus, den diese unbedachte Bewegung verursacht hatte.
»Der Franzose und der Wappner haben die Leiche unter dem Bergfried gefunden, als sie Ehrenberg durchsuchten. Nun, und außerdem habe ich Wolf von Neipperg in Rauanal wiedergesehen.«
Der Ritter stöhnte und barg sein Gesicht in den Händen. »Bete für mich, meine Tochter. Bald schon werde ich vor meinem Richter stehen.«
Juliana wachte die ganze Nacht an seinem Lager. Zweimal ließ sie den Infirmarius holen, aber er konnte nichts für den Ritter tun. Das Fieber stieg, und bald darauf begann der Ehrenberger zu phantasieren. Während die Mönche in der Kirche die Terz beteten, starb Kraft von Ehrenberg, ohne das Bewusstsein noch einmal wiederzuerlangen. Juliana weinte um den Toten und um ihr eigenes Schicksal, das sie allein auf einem rauen Bergpass in Kastilien zurückließ.
Gleich nach der Messe begruben die Mönche den toten Ritter und sprachen Gebete für ihn. André kniete an seinem Grab.
»Wie wird es jetzt weitergehen?«, fragte er das Mädchen, als
er sich erhoben und die Erdkrumen von seinen Beinlingen geklopft hatte.
»Ich nehme mir das Pferd von Bruder Rupert und reite dem Comandador entgegen«, sagte Juliana bestimmt. »Und dann gehe ich nach Santiago, um zu beten – für meinen Vater, für Bruder Rupert und – für meine Seele.«
André nickte. »Gut. Ich werde dich begleiten. Ich nehme mir das Pferd das Wappners. Gehört die Beute nicht dem Sieger? Dein Vater hat mir gesagt, es bringe nichts, meine Klinge zu zerbrechen. Von nun an müsse ich in meinem Leben ritterlich handeln. Und meine erste Tat war, das Schwert für ihn und seine Mission zu schwingen.« Mit ernster Miene gürtete er die billige Waffe um seine Hüften. »Dann lass uns gehen.« Juliana blieb am Grab stehen. Während sie auf den frisch aufgeworfenen Hügel mit dem einfachen Kreuz hinabblickte, sagte sie: »André, ich kann nichts für dich tun, ich meine, ich kann dir nicht das geben, was du dir wünschst.«
André sah sie fragend an.
»Ich kenne deine Gefühle«, fügte Juliana leise hinzu, ohne ihn anzusehen.
Der junge Ritter aus Burgund straffte die Schultern. »Du musst sehr schlecht von mir denken, wenn du annimmst, dass ich für deinen Schutz einen Lohn einfordere! Ob Johannes oder Juliana, ich werde dir beweisen, dass auf ritterliche Tugend Verlass ist! Ich werde nicht noch einmal fehlen. Gott
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