Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
sie weiter nach Osten ziehen.«
Der Vater scheint nicht erfreut, doch seine Gattin hat den Blick wohl nicht bemerkt, denn ihre Miene hellt sich auf. »Das ist eine wundervolle Idee. Dann dürfen wir Euch morgen erwarten, bevor Ihr die Stadt verlasst?«
»Gern, liebe Base.« Swicker von Gemmingen-Streichenberg beugt sich noch einmal über ihre Hände, ehe er sein Pferd besteigt und hinter dem Franzosen durch das Tor reitet. Der Wappner folgt ihm in respektvollem Abstand.
Da es die Edelfrau angeboten hat, kann der Ritter die Einladung nicht zurücknehmen, ohne gegen das Gesetz der Gastfreundschaft zu verstoßen. So begleitet er Eheweib und Tochter nach
Wimpfen zum Stadthaus der Ehrenberger. Dort leben nur eine alte Magd und ein Stallknecht, wenn die Familie nicht in der Stadt weilt, daher reist natürlich auch das notwendige Gefolge, das für die Bequemlichkeit der Familie und der Gäste sorgen soll, mit. Voraus reitet Tilmann, der Knappe, der Wolfs Stelle nach dessen Verschwinden eingenommen hat. Der Vater sieht es seiner Tochter an, wie gern sie mit ihm um die Wette reiten würde, aber unter den strengen Augen der Eltern wagt sie es nicht.
Kaum hat der Ritter seine Familie am Stadthaus abgeliefert, macht er sich auf den Weg zur Pfalz. Solange der Herrscher nicht in Wimpfen weilt, hat der Ehrenberger als Burgvogt der Pfalz dort nach dem Rechten zu sehen und die Burgmannen und Türmer zu beaufsichtigen. Meist genügt es, wenn er alle paar Tage nach Wimpfen kommt. Der alte Joseph, den er als seinen Obmann bestellt hat und der mit den Männern in der Pfalz wohnt, dient nun schon dem dritten Kaiser und ist ein verlässlicher Mann.
Der Baumeister erwartet seinen Burgvogt am Fuß des Südturms. »Ich finde, wir sollten ihn abbrechen«, sagt der kleine Mann mit dem verfilzten grauen Haar. »Die Steine sind gut, und wir brauchen sie dringend zum Bau des neuen Tores und der Stadtmauer. Die Stadt muss endlich wieder einen geschlossenen Schutzwall haben!« Der Ehrenberger wiegt unschlüssig den Kopf hin und her.
»Das ist schon richtig, aber dafür den Turm schleifen?«
»Wozu brauchen wir ihn? Wir haben zwei gute Bergfriede in der Pfalz. Dieser hier steht nun, da die Stadt sich vergrößert hat, nur unnütz mittendrin. Schon lange sitzt kein Türmer mehr dort oben. Also, was sagt Ihr?«
»Eure Argumente sind gut, aber der Turm gehört dem König. Ich kann ihn nicht ohne seine Erlaubnis abtragen lassen.« Der Baumeister macht ein enttäuschtes Gesicht.
»Ich verspreche Euch, eine Anfrage in den nächsten Brief an den königlichen Hof zu legen. Sobald der König zustimmt, könnt Ihr die Steine haben.«
Der Baumeister dankt und verbeugt sich zum Abschied. Es dämmert bereits, als der Ehrenberger auf das Tor zuschreitet.
»Ritter von Ehrenberg«, grüßt ihn der junge Mann an der Zugbrücke, der erst seit dem Osterfest auf der Pfalz dient. »Ein Templer hat nach Euch gefragt, ein Ritter von Gemmingen-Streichenberg.«
»Was wollte er?«
Der junge Wächter zieht die Schultern hoch. »Er sagte nur, dass er Euch zu sprechen wünsche. Ich gab ihm die Auskunft, Ihr wärt in der Pfalz unterwegs. Da dankte er und ging Euch suchen.«
»Dann ist er noch hier?«
Der Wächter nickt. »Er ist nicht wieder durch das Tor gegangen. Später kamen dann noch zwei Templer, ein Ritter und ein dienender Bruder. Sie müssen auch noch irgendwo sein.«
Verwundert runzelt Kraft von Ehrenberg die Stirn. »Seltsam. Ich habe keinen von ihnen getroffen. Wo mögen sie nur sein?«
»Der Servient könnte auf den hohen Turm gestiegen sein. Ich sah, wie er mit dem Türmer sprach, der gerade unten war, um Holz und Fackeln zu holen. Die anderen sind in Richtung steinernes Haus und Palas gegangen.«
Kraft von Ehrenberg bedankt sich und macht kehrt. Das steinerne Haus, das beim Besuch des Herrschers die Königin und ihre Damen beherbergt, liegt dunkel und verlassen da, und auch im Palas kann er keine Menschenseele entdecken. Vielleicht ist er in die Kapelle gegangen, um zu beten und Gottes Rat zu erbitten? Kraft von Ehrenberg geht an den Mauern des Palas vorbei auf den Torbogen der Pfalzkapelle zu.
Was will der Tempelritter von ihm? Hat er die vermutete Verschwörung etwa aufgedeckt und wird nun seinen Rat erfragen? Was gehen ihn die Intrigen der Templer an? Nun gut, Swicker ist kein schlechter Mann und vielleicht auch ein guter Kämpfer, auch wenn der Ehrenberger es nicht gern sieht, dass er so vertraulich mit seinem Weib und der Tochter spricht.
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