Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
das Hospital von San Miguel gegenüber
der Kathedrale, dann gibt es die dort drüben, die zur Kirche San Cernín gehört, das Hospital San Llorente, das Hospital de los Labradores und das de Santa Catalina und dann vor der Stadt an der Magdalenenbrücke das Spital der Leprosen …« Juliana hob abwehrend die Hände und der Junge verstummte. Ihr Mut sank. Dennoch fragte sie:
»Wenn du jemanden suchen wolltest, einen Pilger, wo würdest du beginnen?«
»Einen armen oder einen reichen?«
Das Ritterfräulein zögerte. »Einen armen Mann«, sagte sie dann.
»Geht zur Kathedrale«, schlug Miguel vor. »Fast alle klopfen dort zuerst an. Ich kann Euch nachher hinbegleiten – aber zuerst zeige ich Euch noch den Palast. Ich habe ihn absichtlich bis zum Schluss aufgespart. Wenn wir Glück haben, lassen uns die Wachen heute näher heran, denn unser König Ludwig und seine Gemahlin Margarete von Burgund sind mit dem Infanten gerade nicht in der Stadt.«
Juliana unterdrückte ein Stöhnen. Sie war müde und hungrig, und ihr taten die Füße weh. Alles, was sie wollte, war eine Bank, auf die sie sich setzen konnte, und einen Teller mit warmem Essen. Und einen Menschen, der ihr sagte, dass er den Vater vor nicht allzu langer Zeit gesehen hatte und dass er wohlauf war.
Die Nacht war hereingebrochen. Juliana saß mit einigen anderen Pilgern im großen Refektorium des Spitals. Nach dem üppigen Essen fühlte sie sich schläfrig. Sie hatte die Schuhe ausgezogen und knetete sich die geschwollenen Füße. Auf der anderen Seite stimmten ein paar Männer ein französisches Pilgerlied an. Unwillkürlich summte das Mädchen mit. André lehnte neben ihr an der Wand. Er hatte die Augen geschlossen und schnarchte leise.
Der Mönch, der ihnen das Essen ausgeteilt hatte, kam, um die leeren Schalen einzusammeln. Das war eine gute Gelegenheit. Das Ritterfräulein fasste sich ein Herz und fragte ihn nach ihrem Vater. Sie beschrieb den Ritter genau. Bruder Basilius neigte den Kopf zur Seite und musterte Juliana. Erstaunen zeichnete sich in seiner Miene ab.
»Das ist ja seltsam«, sagte er und schüttelte den Kopf.
»Was?« Ein Hoffnungsschimmer rieselte durch ihren Körper.
»Erst gestern hat jemand nach dem gleichen Pilger gefragt – aus Franken sagst du? Vom Ufer des Neckars?«
Das Mädchen erstarrte. Was hatte das zu bedeuten? Wer konnte sich hier in Navarra nach dem Vater erkundigen? Fast überhörte sie, was der Mönch hinzufügte.
»Und nach einem blonden Mädchen von siebzehn Jahren hat er gefragt, ebenfalls aus Franken.«
»Wie ist ihr Name?«, mischte sich André ein, der erwacht war und anscheinend zugehört hatte. »Du bist doch von dort? Hast du mir das nicht gesagt? Vielleicht kennst du sie?«
Juliana keuchte. »Nicht sehr wahrscheinlich«, würgte das Fräulein hervor, »es gibt in Franken viele Orte und Burgen. Man kann nicht alle von ihnen kennen.«
Der Mönch legte die Stirn in Falten, dann erhellte sich seine Miene. »Jetzt fällt es mir wieder ein: Juliana von Ehrenberg!«
»Von Ehrenberg?«, wiederholte André und sah das Mädchen überrascht an. »Aber sagtest du nicht…« Er verstummte, als Juliana ihm mit dem Ellenbogen in die Rippen stieß. Der Blick, den er ihr zuwarf, versprach jedoch nichts Gutes. Sie musste sich eine plausible Geschichte einfallen lassen, und zwar schnell!
Als sie zum Schlafsaal hinübergingen, platzte der junge Ritter mit seiner Frage heraus. »Du kennst dieses Mädchen, nicht? Du bist doch auch von Ehrenberg?« In seinem Blick war etwas Lauerndes.
Juliana schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe dir nicht meinen
richtigen Namen gesagt. Entschuldige, das war nicht recht von mir. Ich nannte Ehrenberg, weil es mir in den Sinn kam. Ich war zu Gast auf der Burg und hörte von dem Mädchen, das sich auf den Pilgerweg gemacht hat. Sicher kam mir deshalb der Name in den Sinn.« Sie sah ihn prüfend an. Würde er ihr diese Geschichte abnehmen?
»Ach so ist das«, sagte André, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Willst du mir nun deinen richtigen Namen verraten?«
Juliana senkte den Blick. »Nein, lieber nicht. Wenn du nun allein weiterziehen willst, kann ich das verstehen.«
Der junge Ritter schüttelte den Kopf. Noch immer sah er sie aufmerksam an. »Unsinn. Wir haben das Recht, vor den Menschen unsere Geheimnisse zu bewahren. Gott kennt die Wahrheit – ist das nicht genug?«
Etwas brüsk wandte er sich von ihr ab und legte sich auf ein Lager, das in einiger Entfernung zu der Matratze
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