Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
wird mit mir gehen.« Sie sah den jungen Mann aus Burgund flehend an.
»Ja, das stimmt«, sagte er zögernd, »dennoch muss ich dem Bruder zustimmen, dass einer größeren Gruppe von Pilgern sicher weniger Gefahren drohen als ein oder zwei Männern.« Er streckte dem Bettelmönch die Hand entgegen. »Wohl dann,
Bruder Rupert, wandern wir zusammen. Ich will nur rasch eine Schale Brei leeren. Dann können wir aufbrechen.«
Der Mönch schob seine Hände in die Ärmel und neigte den Kopf. Juliana sah, wie sich der ungepflegte Bart, der so gar nicht zu einem Mönch passte, zu einem zufriedenen Lächeln teilte. Sie unterdrückte einen Seufzer. Was blieb ihr anderes übrig, als sich zu fügen? Schließlich sprach nichts dagegen, sich wieder in Bruder Ruperts Gesellschaft zu begeben – nichts außer das seltsame Gefühl in ihrer Magengrube.
8
Die Buße
Wimpfen im Jahre des Herrn 1307
J uliana schläft nicht in dieser Nacht. Selbst wenn sie die Augen schließt, erscheint das Bild, als wäre es in ihre Lider geprägt: der Vater mit blutigen Händen, den Griff des Dolches umklammert, über die Leiche gebeugt.
Die Leiche. Allein das Wort lässt sie schaudern.
Am Nachmittag war er noch Swicker von Gemmingen-Streichenberg gewesen, der jüngste Sohn von Mutters Oheim. Ein Tempelritter, der im Heiligen Land kämpfte, kaum dass er den Ritterschlag erhalten hatte. Erst gestern hatte er ihr von Akkon erzählt, von der letzten Schlacht, in der sich selbst die tapferen Templer geschlagen geben mussten. Er verriet ihr seinen Traum: einmal Jerusalem sehen, den Tempelberg, wo die armen Ritter Christi ihre Wurzel hatten, die heilige Grabeskirche und die Davidsburg. Er sagte, der Großmeister wolle mit dem Papst sprechen, und dann würde es einen neuen Kreuzzug geben. Einhundertzwanzig Jahre lang war Jerusalem nun wieder in den Händen der Muselmanen – seit Saladin im Jahre des Herrn 1187 in die heilige Stadt einzogen war. Nun war es an der Zeit, dass die Al-Aksa-Moschee wieder zum Tempel Salomos erhoben wurde.
Der Templer Swicker war ein ernster Mann, der nicht viele Worte brauchte, mit einem von Kampf und Entbehrung gehärteten Körper und gebräunter Haut. Er trug sein sandfarbenes Haar kurz und einen dichten Bart an Wangen und Kinn. Juliana konnte den Blick nicht von ihm wenden. Die Ritter und anderen Freien, die sie kannte, rasierten sich stets sorgfältig und ließen ihr langes Haar offen auf die Schultern fallen. Kurzes Haar war ein Zeichen von Unfreiheit! Und doch würde
niemand, der Swicker sah, auf die Idee kommen, er wäre ein unfreier Bauer. Ihn adelte diese ungewöhnliche Haartracht, wie sie auch bei seinen Mitbrüdern üblich war, auf ganz eigene Weise. Der Templer Swicker sah weniger herausgeputzt aus als sein Waffenbruder Jean de Folliaco. Der dunkle Franzose legte offensichtlich mehr Wert auf die Pflege seines Hauptes und verbrachte viel Zeit damit, das Ungeziefer zu bekämpfen. Aber auch sein Haupthaar war so kurz, dass man den Nacken sehen konnte.
Die Eltern hatten den Vetter der Mutter mit seinem Waffenbruder nach Burg Ehrenberg geladen und ihm zu Ehren eine reiche Tafel decken lassen. Der glatzköpfige Servient Bruder Humbert, der die beiden Ritter begleitete, durfte sich ans untere Ende der Tafel setzen und an dem Festmahl teilnehmen. So, erklärten die Templer, sei es auch auf ihren Burgen der Brauch. Die Wappner, die kämpfenden Servienten also, durften mit im Refektorium essen – wenn auch an eigenen Tischen. Die anderen dienenden Brüder dagegen, egal ob Knecht, Stallbursche oder Handwerker, aßen in der Küche oder einer eigenen Kammer.
Der Ritter von Ehrenberg ließ heute nicht weniger als zwanzig Gänge auftragen und forderte die Gäste immer wieder auf, kräftig zuzugreifen, vom Kapaun und vom Auerhahn, von Karpfen und von den Wachteln, den Krebsen und der Rehkeule, in Honig gedünstetem Hasen und Pfefferküken. Es gab Früchte in Wein eingelegt, Mandelspeisen und gezuckerte Mehlköße. Lachs aus dem Neckar, den die Gewöhnlichen so oft essen mussten und der während der Woche ab und zu auch hier im Saal auf den Tisch kam, ließ er natürlich nicht auftragen.
»Das seid Ihr sicher nicht gewöhnt«, sagte Ritter Kraft von Ehrenberg mit einem Lächeln. »In den Komtureien werdet Ihr schmälere Kost bekommen – oder gar auf den Burgen, draußen im Okzident – nun ja, damals, bevor Euch die Sarazenen aus dem Heiligen Land vertrieben haben.« Er sah den Franzosen und seinen Waffenbruder
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