Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
war, auf der Juliana ihre Tasche und den Rucksack abgelegt hatte.
»Du hast gesagt, du würdest einen Edelmann suchen«, sagte er nach einer Weile, ohne sie anzusehen. »Ich denke, es handelt sich eher um ein Edelfräulein! Auch du suchst nach diesem Mädchen. Wer aber mag der Ritter sein, nach dem du dich erkundigt hast? Ihr Ehemann? Ihr Bruder oder Vater? Ist sie davongelaufen? Vor ihm oder vor dir?« André schien keine Antwort zu erwarten, sondern kehrte Juliana den Rücken zu und rollte sich unter seiner Decke zusammen.
Auch der nächste Morgen hielt eine Überraschung für Juliana bereit. Sie hatte sich früh erhoben und löffelte gerade im fast leeren Saal einen Teller Haferbrei, als ein Mann in einer Kutte hinter sie trat. Sie achtete nicht auf ihn, sah nur den groben Stoff aus den Augenwinkeln. Das Mädchen schob die letzten Reste Brei in den Mund und leckte genüsslich den Löffel ab. Erst jetzt merkte sie, dass die Gestalt in der Kutte noch immer
hinter ihr stand. Sie konnte seinen Blick in ihrem Rücken spüren. Das Kribbeln begann in ihrem Nacken und wanderte langsam an ihr hinab. Sie wusste bereits, wer es war, bevor er zu sprechen begann und sie seine tiefe Stimme hörte.
»Einen gesegneten Morgen wünsche ich. Ist das nicht der junge Johannes aus Franken? Nein, welch Überraschung, dass wir uns wieder begegnen, nachdem wir uns so unerwartet aus den Augen verloren haben!« Die muskulöse Gestalt trat um den Tisch herum und setzte sich ihr gegenüber, eine volle Breischale in den Händen. Ein Lichtstrahl ließ die Narbe an seinem Hals weiß schimmern.
»Euch auch einen guten Morgen, Bruder Rupert«, seufzte das Mädchen. »Ganz so unerwartet ist unser Wiedersehen für Euch sicher nicht. Ihr seid schnell unterwegs gewesen!« Er brummte nur, senkte den Blick auf seine Schale und begann, gleichmäßig den Brei in sich hineinzuschaufeln.
»Habt Ihr es plötzlich so eilig, das Apostelgrab zu sehen, dass Ihr auch die Nächte durchwandert?«, fragte sie sarkastisch.
»Nein«, antwortete er mit vollem Mund, »ich bin bereits seit gestern hier, dachte aber, ich könnte hier noch etwas Warmes essen, bevor ich mich weiter auf den Weg mache.
»Gestern schon? Ach, dann seid Ihr mit Engelsflügeln geflogen – oder gar auf dem Rücken eines teuflisch schwarzen Pferdes?«
Nun hob der Bruder die dichten Brauen und sah das Mädchen an. »Dann habe ich dich wohl überholt, ohne dich zu sehen? Ja, ich bin geritten. Es gibt noch wahre Christenmenschen, und einer davon musste sein Pferd nach Pampalona bringen, da er es dorthin verkauft hat. Meine Füße brauchten ein paar Stunden Schonung. So hatten wir beide etwas von dem Geschäft.«
Das Ritterfräulein glaubte ihm kein Wort. Er hatte nach ihr gesucht und keine Mühen gescheut, sie einzuholen. Warum? Was wollte er von ihr?
»Es war nicht klug von dir, den Weg über die Pyrenäen allein auf dich zu nehmen«, brummte der Mönch und kratzte sich den Bart. Vermutlich hatte sich Ungeziefer darin eingenistet. »Es ist nur Gottes Nachsicht mit dir zu verdanken, dass du nicht in ernsthafte Schwierigkeiten geraten bist. Haben wir nicht oft genug darüber gesprochen? Hast du die Elenden in Valence vergessen, die den Räubern in die Hände gefallen sind?«
Juliana presste trotzig die Lippen aufeinander. Wer war er, dass er sich erlauben konnte, ihr solche Vorhaltungen zu machen? Sie ließ die leise Stimme in sich nicht zu Wort kommen, die ihr sagte, dass er vollkommen Recht hatte.
»Danke, ich bin gut zurechtgekommen«, sagte sie patzig. »Und das werde ich auch in Zukunft!«
»Das freut mich zu hören.« Bruder Rupert ließ sich nicht provozieren.
André kam verschlafen in den Saal, gähnte und sah sich um. Er zögerte einen Moment, dann trat er an den Tisch, begrüßte Juliana und stellte sich dem Bettelmönch vor.
»Ihr kennt euch?«, wollte er wissen, während er die massige Gestalt des Bettelmönchs musterte.
»Ja, wir hatten das Vergnügen, von Freiburg bis zum Fuß der Pyrenäen miteinander zu reisen«, sagte der Mönch, ohne den Blick von dem Ritterfräulein zu wenden. »Und es ist eine Freude, dass wir uns hier so ganz zufällig wiederbegegnen, so dass wir von nun an unseren Weg gemeinsam fortsetzen können. Schließlich ist uns Pilgern allen wohl bewusst, wie gefährlich es ist, wenn wir allein und schutzlos über die Landstraße wandern!«
Juliana wich dem Blick aus den braunen Augen aus. »Ich bin nicht allein«, widersprach sie. »Ritter André de Gy
Weitere Kostenlose Bücher