Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Abschiedsgruß. Dann ist er mit seinen Bewachern in der Finsternis verschwunden. Verloren steht das Ritterfräulein in der Nacht, zwischen all den Menschen, deren
aufgeregte Stimmen von den Mauern zurückgeworfen werden. Sie fühlt sich allein.
Ein Blitz erhellt die kaiserliche Pfalz, ein Donnerschlag lässt die Feste erbeben. Dann öffnet der Himmel seine Schleusen, als wolle er mit einer zweiten Sintflut alle Sünder hinwegschwemmen.
7
Pampalona
J uliana und André wanderten durch das Tal der Arga, vorbei an ärmlichen Weilern. Kieferwälder spendeten ihnen Schatten, später säumte die saftig-grüne Flussaue ihren Weg. Eine alte Brücke kreuzte die Arga, dann verließen sie das Wasser und stiegen auf einen bewaldeten Hügel, passierten eine einsame Kapelle und folgten dem Pfad wieder hinab. André war eigenartig schweigsam, nachdem er vor der Kirche so forsch auf seine Begleiterin zugegangen war. Ein paarmal versuchte Juliana, ein Gespräch zu beginnen.
»Warum ziehst du nach Santiago? Was treibt dich zum Grab des Apostels?«
»Hm«, brummte André, »kein besonderer Grund. Einfach so. Die weite Reise und das Abenteuer, nachdem ich so viele Jahre hinter Mauern auf einer Felsnadel über der Donau festgesessen habe.«
Juliana war nicht überzeugt, fragte jedoch nicht weiter. Schließlich gingen sie seine Gründe nichts an. Wer wusste schon, was er seinem Gott im Gebet versprochen hatte und warum.
»Und du? Was führt dich hierher?«
Darauf hätte sie gefasst sein sollen! Wie konnte sie sich nur so leichtsinnig auf gefährlichen Grund hinauswagen. »Ja, also, das ist so«, stammelte sie. Plötzlich stand ihr Wolfs Gesicht ganz deutlich vor Augen, und es erschien ihr wie eine himmlische Errettung.
»Auf der Burg gab es einen Jungen, Wolf, er war Page, später Knappe, und drei Jahre älter als ich. Wir waren Freunde. Irgendwann begann er, vom heiligen Jakobus zu erzählen und
von dessen Grab im fernen Galicien. Ein paar Jahre später zog er los und ist nicht wieder zurückgekommen.«
»Und nun suchst du ihn?«
Juliana zögerte. »Ja …« Sie schwieg. »Bist du mit deinem Pferd auf die Reise gegangen?«, wechselte sie das Thema.
»Wie kommst du darauf?« André schien überrascht.
»Nun ja, deine Stiefel eignen sich besser zum Reiten als zum Laufen, und auch dein Rock ist der eines Reiters.«
»Gut beobachtet«, stimmte er ihr widerstrebend zu. »Ich habe es vor den Pyrenäen zurückgelassen – sowie auch mein Kettenhemd und den Helm.«
»Nur von deiner Schwertscheide willst du dich nicht trennen«, fügte das Mädchen hinzu.
»Nein«, sagte André nur und strich über das noch neue Leder. Seine Miene verdunkelte sich wieder, und er schien in Gedanken an einen anderen Ort zu reisen. »Außerdem ist es zu Pferd keine echte Pilgerreise«, sagte er unvermittelt in schroffem Ton. »Man muss sich dem Apostel zu Fuß nähern.«
»Dann kann das dort drüben kein Pilger sein«, vermutete Juliana und zeigte auf einen Mann, der in raschem Tempo den Hügel hinunterritt. Sie hatten sich ein Stück vom Weg entfernt und am Stamm eines alten Ahornbaumes niedergelassen. André schnitt gerade ein Stück Speck in zwei Teile und reichte seinem Begleiter einen. Bei Julianas Worten sah er auf. Der Mann beugte sich weit über den Hals des Tieres. Seine graubraune Kutte flatterte im Wind.
»Ein Bettelmönch auf solch einem Pferd«, rief André erstaunt. »Und sieh, wie er im Sattel sitzt, als habe er sein ganzes Leben dort verbracht.«
»Vielleicht hat er das Tier gestohlen«, mutmaßte das Mädchen.
»Möglich. Nicht unter jeder Kutte ist ein reines Herz.«
»Vielleicht ist er eigentlich ein Ritter, der eine schlimme Tat begangen hat, und zur Sühne einem Bettelorden beigetreten ist«, spann sie den Faden weiter. »Doch das ist ihm nicht genug.
Er will sichergehen, dass ihm alle seine Sünden vergeben werden. Daher pilgert er nun nach Santiago.«
»So ein Blödsinn!«, stieß André schroff aus. Das Mädchen sah den schlanken jungen Mann an ihrer Seite erstaunt an. »Ich meine«, verbesserte er sich mit gepresster Stimme, »das würde ihm nichts nützen, wenn er auf seiner Pilgerfahrt ein Pferd stiehlt. Dann ist sie nichts mehr wert.«
»Gut, dann ist es eben sein Pferd, das er heimlich behalten hat, als er ins Kloster eintrat.«
André lachte ein wenig gezwungen und erhob sich. »Du hast eine blühende Phantasie. Vermutlich ist er gar kein Pilger. Er könnte ein Bote sein, oder er sucht jemanden, daher ist
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