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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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versuchte sich an einem Lächeln.
    »Nun, Johannes, was werden wir an diesem schönen Abend tun? Wollen wir ausprobieren, ob der Wein das hält, was die Händler der Gegend versprechen?«
    Juliana versuchte sich aus Ritter Raymonds Griff zu befreien. Sein sonnenverbranntes Gesicht war dem ihren viel zu nahe, die blauen Augen sahen sie forschend an. Hegte er einen Verdacht? Hatte sie sich an diesem Tag irgendwie verraten? Pater Bertran wandte sich ab und ging ohne ein weiteres Wort davon.
    »Was hältst du davon, mit mir die Judería zu besuchen?«, fragte Bruder Rupert. Flehend suchte das Ritterfräulein Andrés Blick. Sie wollte weder, dass der blonde Ritter sie aushorchte und versuchte, sie unter den Tisch zu trinken, noch wollte sie mit Bruder Rupert allein durch das Judenviertel schlendern. Am liebsten wäre es ihr, beide Männer abzuschütteln und mit André sogleich die Stadt auf der anderen Seite wieder zu verlassen. Jede Minute, die sie das Tageslicht noch nutzte, würde sie dem Vater näher bringen, doch der schleppende Gang des jungen Ritters machte deutlich, dass ihre Bitte vergeblich sein würde. Sicher schmerzte ihn sein Fuß, und er sehnte sich nach einer Herberge.
    »Wollen wir uns nicht auch nach einem Lager umsehen?«, drängte sie André, der zu ihrer Überraschung den Kopf schüttelte.
    »Mich würde das Judenviertel auch interessieren. Kommt, Bruder Rupert, gehen wir.«
    »Ja, eine gute Idee«, stimmte ihm Juliana hastig zu und wand sich aus Ritter Raymonds Griff. Ohne ein Wort des Abschieds ging der Blonde davon. Juliana sah ihm nach, und für einen Moment wusste sie nicht, ob sie fürchtete oder hoffte, ihn niemals wiederzusehen.

    Juliana sah sich staunend um. Natürlich kannte sie Juden. Auch in Wimpfen lebten ein paar, wie die Familie Süßkind beispielsweise,
doch ein ganzes Stadtviertel voller Juden hatte sie noch nicht besucht. Überall schwarz gekleidete Gestalten, Männer mit Hüten, unter denen die langen Schläfenlocken zu beiden Seiten herabhingen, Frauen, die Köpfe von Tüchern verhüllt. Die christlichen Käufer stachen unnatürlich bunt zwischen den Juden hervor. Die Häuser reihten sich dicht an dicht, und in fast jedem gab es im Untergeschoss ein Ladengeschäft. Das Ritterfräulein sah Tuchwaren, feinen Silberschmuck und Gewürze, dann wieder die Tische der Geldwechsler. Bruder Rupert betrachtete sich die Auslagen an. Vor allem für Kräuter und Tinkturen schien er sich zu interessieren. Juliana nahm lieber den feinen Silberschmuck in Augenschein. André blieb an einem Gemüsestand stehen.
    Plötzlich mischten sich laute Stimmen unter das geschäftige Gemurmel. Wütende Stimmen. Ein edel gekleideter Mann zerrte einen Juden aus seinem Laden und trat ihm gegen das Knie, sodass dieser zu Boden stürzte. Andere christliche Passanten mischten sich in den Streit ein. Ein zweiter Mann griff einen jüdischen Jungen bei seinem schwarzen Haarschopf. Schreie und Gebrüll wogten durch die Gasse, in der sich immer mehr Menschen auf den Ort des Kampfes zudrängten. Juliana verstand nicht, worum es ging, aber sie wurde mitgerissen, sodass sie gar nicht anders konnte, als zu beobachten, was geschah. Sie erstarrte. Der Aufschrei blieb in ihrer Kehle stecken. Sie konnte nicht einmal den Blick von der Szene abwenden, die sich vor ihr, mitten auf der Gasse abspielte.
    »Wir sollten jetzt gehen«, hörte sie von fern die Stimme des Bettelmönchs und spürte, wie sie jemand grob am Arm packte und mit sich zog. Kurz darauf hatten sie das Judenviertel hinter sich gelassen und stiegen zur Rúa de las Tiendas hinunter. Schweigend ging Bruder Rupert neben Juliana her, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst. André dagegen plapperte unaufhörlich über die üppigen Auslagen, die fremdartigen Menschen, den unerwarteten Aufruhr. Und nun wollte er noch den Königspalast sehen, den der Gemüsehändler ihm beschrieben
hatte, mit dem Kapitell, das den Kampf zwischen dem Riesen und Roland zeigte. Als die drei die Hauptstraße des Stadtviertels San Martín erreichten, blieb der Mönch stehen und wandte sich abrupt zu André um.
    »Ist es dir nicht möglich, wenigstens für ein paar Augenblicke zu schweigen? Du nennst dich Ritter, hast aber die Zunge eines Waschweibes!«
    André klappte beleidigt den Mund zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Bettelmönch ignorierte ihn und betrachtete stattdessen das Ritterfräulein, dessen Wangen aschfahl waren und dessen Mundwinkel zitterten. Nach einer Weile

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