Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
getrieben?«
Der Bettelmönch schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht empfindlich.
Mein Magen verträgt so einiges. Nicht einmal der Fraß in Ägypten hat ihn aus der Ruhe gebracht, obwohl sich die anderen die Seele aus dem Leib gekotzt haben.«
»Ihr wart in Ägypten?«, rief das Ritterfräulein überrascht. »Wann? Was habt Ihr dort getan?«
Doch wie gewohnt ignorierte Bruder Rupert ihre Frage. Sicher ärgerte er sich darüber, dass ihm dieser Satz unbedacht entwischt war, und so fuhr er fort, als wäre der Zwischenfall nicht geschehen. »Dann hoffe ich, dass du Recht behältst und es dir und André am Morgen wieder gut geht. Ihr jungen Burschen wollt doch sicher so schnell wie möglich nach Torres hin über.«
»Warum sollten wir?«
»Ich dachte, ihr hättet solch einen Narren an den Tempelrittern gefressen?«
Juliana nickte. »Ach so, ja, wir werden uns die Kirche ansehen. Bis dahin möchte ich aber noch ein paar Stunden schlafen.« Sie gähnte herzhaft. »Ihr dagegen scheint nicht müde zu sein. Ich dachte, Schlaflosigkeit quäle einen erst im höheren Alter.«
Bruder Rupert deutete eine Verbeugung an. »Ich werde von ihr nicht gequält. Ich brauche nur nicht so viel Schlaf wie das jüngere Gemüse unserer Pilgergemeinschaft.« Damit wandte er sich ab und ging – nachdem er dem Portner ein Abschiedswort zugerufen hatte – in den Gang davon, durch den Juliana gerade gekommen war.
Drüben in Sansol wurde noch nicht zur Terz geläutet, da standen die fünf Pilger schon auf der anderen Seite der Schlucht auf dem Kirchplatz vor Santo Sepulcro.
Zu Julianas Überraschung und Enttäuschung hatten ihre vier Reisebegleiter alle in ihren Betten gelegen, als sie erwacht war, und keiner von ihnen machte den Eindruck, als habe er während
der Nacht eine ausgedehnte Wanderung unternommen. War es wirklich der blonde Ritter de Crest gewesen, dessen Silhouette sie gesehen hatte? Jeder der vier hätte auf dem Weg zur Tür an ihrem Lager vorbeigehen müssen. – Oder war es gar keiner von ihnen gewesen? Hatte sie ein Gespräch gehört, das mit ihr und ihren Begleitern nichts zu tun hatte?
Während des kargen Morgenmahls musterte sie die anderen Pilger, die hier übernachtet hatten. Sie sahen erschöpft aus und hatten Ringe unter den Augen, was aber durchaus Zeichen ihrer entbehrungsreichen Reise sein konnten. Nein, das Rätsel dieser Nacht würde sich auf diese Weise nicht lösen lassen. Sie schob sich den klebrigen Brei in den Mund, der einen unangenehm muffigen Nachgeschmack zurückließ. Leider konnten sie heute auch nicht auf Proviant für ihre Beutel hoffen.
Als sie durch die Pforte schritten, mussten sie einen Karren umrunden, vor den vier kräftige Pferde gespannt waren. Zwei Laienbrüder und eine Magd beluden ihn mit Kisten und Säcken. Ein junger Knecht trug einen Gitterverschlag mit ein paar Hühnern heran und stellte ihn auf die Ladefläche.
»Der Wagen geht sicher nach Carrión?« Die Laienbrüder bestätigten Pater Bertrans Vermutung.
»Ha«, stieß er erbittert aus. »So kommt San Zoilo zu seinem Reichtum. Das Mutterhaus rafft aus den Komtureien alles zusammen, und für die armen Pilger bleibt nicht genug, ein Frühmahl zu kochen, das mehr ist als Schweinefraß ohne Geschmack!« Seine hagere Gestalt stapfte ihnen voran den felsigen Abhang hinunter, sein Stab ließ bei jedem zweiten Schritt ein dumpfes »Klonk« auf dem ausgetrockneten Boden erklingen.
Die Templerkirche von Torres hatte zwar dieselbe achteckige Grundform wie Eunate, unterschied sich in ihrer Wirkung jedoch völlig von ihr. Drei Stockwerke, unterbrochen von einem Sims, erhoben sich übereinander und ließen das Kirchenschiff an einen Turm erinnern.
Juliana drängte sich hinter den anderen in den trüben Innenraum, in dem zwei Öllampen auf dem Altar brannten und die Gesichter der Pilger erhellten. Ein Servient im braunen Mantel erhob sich von seinem Hocker und trat auf sie zu. Rasch huschte der Blick des Mädchens von einem zum anderen, aber sie konnte kein Zeichen des Erkennens finden. Der Bruder war entweder ein Meister der Beherrschung, oder er hatte wirklich noch keinen der Männer gesehen. Dann jedoch erschien ein Lächeln auf seinen Lippen, er trat auf den asketischen Augustiner zu und verbeugte sich tief.
»Pater Bertran, wie lange ist es her, dass wir uns begegnet sind? Ihr erinnert Euch? Es war in Paris. Ich weilte mit Bruder Thibauld – dem Ritter de Vichiers – in unserer Ordensfestung.«
Der Mönch wirkte nicht
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