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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Düsternis erkennt sie, wie sich Menschen um eine Falltür drängen, die in den darunter liegenden Raum führt. Juliana schiebt eine Magd beiseite und drängt sich nach vorn.
    Wie die erlösenden Worte der Absolution trifft sie das unvermittelt einsetzende Geplärr des kleinen Bruders. Er lebt! Die Menge teilt sich, und Juliana steht vor der Mutter, die den Sohn umklammert. Seine Beinlinge sind beschmutzt und über dem rechten Knöchel zerrissen, ansonsten scheint der Knabe unversehrt.
    »Dort unten haben wir ihn gefunden, bei den Wurfsteinen, ganz allein im Dunkeln, und die Falltür war geschlossen. Niemand konnte sein Weinen hören«, schluchzt die Edelfrau und presst das Kind noch fester an sich.
    »Wir müssen Gott auf den Knien danken, dass Johannes sich nicht in den Steinhaufen weggewagt hat!«, sagt der Vater. Seine Stimme klingt seltsam rau.
    Noch ehe ihre Lippen »warum« fragen können, überfällt sie die Erkenntnis, und noch einmal wird ihr eisig kalt. Dort unten,
in der Mitte des Raums, ist der einzige Zugang zum Verlies: ein großes, rundes Loch im Boden, ohne Stufen, ohne Geländer. Wie leicht hätte Johannes im Dunkeln hinunterstürzen und dabei zu Tode kommen können!«
    Ritter Kraft von Ehrenberg nimmt seinem Eheweib den Knaben aus den Armen und trägt ihn die steile Holztreppe hinunter in den Hof. Die Edelfrau und die anderen Gäste, die sich der Suche angeschlossen haben, folgen. Im Hof angekommen wendet er sich zu seiner Tochter um. Er sagt nichts, doch sein Blick treibt Juliana Tränen in die Augen. Kann sie ihren Leichtsinn jemals wieder gutmachen? Wird der Vater ihr irgendwann verzeihen und sie wieder in Liebe und mit Stolz betrachten?
    Das Festmahl ist bereit, aber das Edelfräulein findet keine Freude daran. Sie meidet die Blicke der Ritter, starrt nur auf ihre eigenen Hände und isst schweigend ein wenig gebackenen Fasan mit Honigkruste. Nicht einmal die Spielleute, die zu später Stunde in den Saal stürmen und von den Herren und Damen begeistert begrüßt werden, können sie aus ihrer trüben Stimmung reißen. Sie ist froh, als der Vater zum Aufbruch ruft und von seinen Burgmannen die Pferde vorführen lässt.
    Schweigend reiten sie durch die Nacht, die so wunderschön sein könnte, mit ihrem milden Sommerwind unter einem klaren Sternenhimmel. Die Kinderfrau Birgitta kommt nicht mit nach Ehrenberg zurück. Weder der Vater noch die Mutter sprechen über sie, und Juliana wagt nicht zu fragen, wo sie geblieben ist und was mit ihr geschehen wird. Hat sie sich auf Guttenberg verborgen und bleibt nun als Konkubine des jungen Ritters auf der Burg?
    Schon bald wird sie sicher bereuen, dass sie mit dem Kochendorfer in diese Scheune gegangen ist, denkt das Mädchen. Seinen Launen und seinen Händen auf Gedeih und Verderben ausgesetzt zu sein! Ein eisiger Schauder rinnt ihr den Rücken hinunter.
    »Heilige Jungfrau Maria«, betet sie im Stillen, »lass nicht
zu, dass ich jemals solch einem Mann ausgeliefert werde. Ich könnte es nicht ertragen. Lieber will ich sterben!«
    Nein, sterben will sie natürlich jetzt noch nicht. Leben will sie! Sie denkt an Carl von Weinsberg, und ein warmes Prickeln durchflutet ihren Leib. Lange hat sie so etwas nicht mehr gespürt – seit Wolf von Neipperg sie verlassen hat.
    »Wolf« Sie lässt seinen Namen durch die Nacht klingen. Nein, an ihn will sie nicht denken. Zu lange währte der Schmerz in ihr. Zu tief hat sie sein Verrat getroffen. Sie muss ihn vergessen, endlich, für immer.



19
Torres
     
    J uliana stand in der Schlafkammer des Pilgerspitals, die Hand auf dem Knauf, und lauschte. Bis auf die gleichmäßigen Geräusche der Schlafenden war nichts zu hören. Sie holte tief Luft, zog die Tür einen Spaltbreit auf und spähte in den matt erleuchteten Gang. Es war niemand zu sehen. Sie huschte an den steinernen Wänden entlang bis zu einer schmalen Pforte, die eigentlich verriegelt hätte sein müssen. Waren die Männer dort hinausgegangen? Sie schlich ein Stück weiter den Gang entlang und spähte um die Ecke. Dort saß der Portner vor dem verschlossenen Tor auf einem Hocker. Sein Körper war in sich zusammengesunken, die Augen waren geschlossen, ein leises Schnarchen ließ die Lippen erbeben. Er wäre sicher aufgewacht, hätte sich jemand am großen Tor zu schaffen gemacht.
    Juliana kehrte zu der Pforte zurück und drehte am Knauf. Die Tür ließ sich geräuschlos öffnen, und das Mädchen spähte in einen lang gestreckten Hof, der mit der einen Seite an

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