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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Kochendorf mit einem Weinbecher in der Hand an der Tür.
    »Johannes ist verschwunden!«, ruft sie. Ihre Stimme überschlägt sich. »Was steht Ihr hier so herum? Helft mir suchen! Schließlich ist es auch Eure Schuld. Wie konntet Ihr das nur tun?«
    Der Kochendorfer verschränkt die Arme vor der Brust und mustert das aufgelöste Edelfräulein. »Ich habe Euer Kinderfräulein nicht mit Gewalt in die Scheune gezerrt, das kann ich Euch versichern. Und ich denke, Euch ist nicht entgangen, dass man dieses Weib zu nichts zwingen muss – oder habt Ihr nicht lange genug zugesehen, um einen Eindruck zu gewinnen?«
    Glühende Röte schießt Juliana in die Wangen. »Ihr seid schamlos! Was erdreistet Ihr Euch, so zu reden?«
    »Ach, vertragen Eure zarten Ohren die Wahrheit nicht? Ich kann Euch noch mehr Wahrheiten sagen, die Eurem Gewissen nicht schmecken werden. Warum macht Ihr solch einen Aufstand wegen eines Knaben, der noch Windeln trägt? Ihr wollt doch nur keine Schuld auf Euch laden. Um des Kindes willen ist es Euch gar nicht!«
    »Wie könnt Ihr so etwas sagen?«, schreit sie empört. »Ich liebe ihn. Er ist mein Bruder!«
    »Ja? Versucht Ihr Euch selbst davon zu überzeugen? Ihr wisst so gut wie ich, dass Ihr ohne ihn besser dran wärt. Wer weiß, vielleicht habt Ihr ihn deshalb seiner nachlässigen Kinderfrau übergeben und seid mit dem Weinsberger davongegangen? Vielleicht habt Ihr ein klein wenig gehofft, dass sich das Problem von selber lösen würde?«
    Juliana wird blass. »Ihr seid ein Scheusal!«
    »Nein, aber ich habe Augen und Ohren und ein wenig mehr vom Leben gesehen als Ihr, und daher weiß ich, dass es nicht
Euer Schaden wäre, wenn es keinen Bruder gäbe, der Burg und Ländereien erbt. Euer Wert würde beträchtlich steigen!«
    Ihr Zeigefinger schießt nach vorn, bis er fast seine Nase berührt. »Ach, jetzt zeigt Ihr Euer wahres Gesicht. Darauf also habt Ihr es abgesehen: Ihr streckt Eure gierigen Finger nach Ehrenberg aus. Aber ich schwöre Euch bei Gott und allen Heiligen, ich werde niemals Euer Eheweib und die Burg niemals Euer Eigentum. Wie kommt Ihr darauf, dass der Vater Eure Bewerbung mit Wohlwollen sehen könnte?« Ein Gedanke lässt sie zusammenschrecken. »Habt Ihr Johannes etwas angetan, um ihn aus dem Weg zu räumen?« Sie lässt den ausgestreckten Arm entmutigt sinken.
    »Ich? Wo denkt Ihr hin? Natürlich würden mir die Burg und die Güter wohl gefallen, aber ich weiß, dass Euer Vater nach höherer Verbindung strebt. Fragt doch mal den Weinsberger, ob es ihm nach Ehrenberg gelüstet. Machtgierig genug ist die Familie ja, und Ihr werft dem Ritter Carl schmachtende Blicke zu. Euer Tüchlein für die Jagd war schon einmal ein guter Anfang, nicht?«
    Sie betrachtet ihn voller Verachtung. »Ich glaube Euch gern, dass Ihr solche Pläne aushecken und den Wohlstand Eurer Ehe auf einem Mord aufbauen würdet, aber schließt in Eurer Niedertracht nicht auf andere. Die Weinsberger sind eine edle Familie. Keiner von ihnen würde sich auch nur zu solchen Gedanken hinreißen lassen, geschweige denn Hand an ein Kind legen!«
    Wilhelm von Kochendorf schnaubt durch die Nase. »Wenn Ihr Euch da mal nicht täuscht. So erhaben sind die lieben Weinsberger nicht. – Nun, ich denke, Ihr wisst es wirklich nicht anders. Vermutlich hat man es Euch nicht erzählt.« Er stockt, sein Blick wandert über ihre Schulter hinweg. Als er weiterspricht, scheint er eher mit sich selbst zu reden. »Genaues habe ich auch nicht erfahren, man hat sich ja jede Mühe gegeben, es zu vertuschen, doch selbst das, was ich weiß, würde jeden…«
    »Juliana?« Das Mädchen fährt herum. Ist das die Stimme des Vaters?
    »Juliana!«
    Sie kommt von draußen. Das Mädchen lässt den Kochendorfer stehen und läuft die Stufen hinunter in den Hof. Wo ist der Vater? Suchend lässt sie den Blick schweifen, bis seine Stimme erneut aus der offenen Tür des Bergfrieds erschallt, die in fast fünfzehn Schritten Höhe der einzige Zugang zum Wehrturm ist. So schnell sie kann, erklimmt Juliana die steile Holztreppe. Stimmengewirr dringt zu ihr herab, in dem sie das hysterische Schluchzen der Mutter ausmachen kann. Das Mädchen fühlt eisige Angst ihr Herz umklammern. Was ist geschehen? Hat Johannes versucht, die Stufen zum Bergfried hinaufzusteigen und ist gestürzt? Aber wie ist er überhaupt unbemerkt bis zum Eingang gekommen?
    Außer Atem und mit zitternden Knien erreicht sie die Schwelle und tritt in das steinerne Gelass des Turms. In der

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