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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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überholten eine Gruppe Pilger, die im Schatten einer Kiefer rasteten. Fünf Männer und ein altes Weib. Sie unterhielten sich lebhaft in einer Mischung aus Italienisch und Französisch. Grüßend hoben sie die Hände.
    Der Weg führte um einen Berg herum, der wie eine umgestürzte Schüssel aussah. Vor vielen hundert Jahren sollte dort oben einmal eine Stadt gestanden haben, wie Pater Bertran ihnen sagte. Juliana konnte allerdings nur Buschwerk und Gestrüpp erkennen. Stechmücken umschwirrten sie in der flirrenden Nachmittagshitze, als sie sich dem Ufer des Ebro näherten. André schimpfte vor sich hin und schlug um sich, um die lästigen Mücken zu vertreiben.
    »Einen seltsamen Tanz führst du da auf«, lästerte Ritter Raymond. Das Lachen verging ihm schnell, als zwei dicke Bremsen sich auf seinem Hals niederließen und in die sonnenverbrannte Haut stachen. Eine erschlug der Ritter, doch schon schwollen zwei unförmige Gebilde an, die, wie Juliana aus leidiger Erfahrung wusste, juckten und schmerzhaft brannten. Nur der hagere Augustiner schien von den Insekten nicht behelligt zu werden.
    »Kein Wunder«, raunte André dem Mädchen zu, »was sollen die denn aus dem noch heraussaugen? Fließt in seinen Adern überhaupt noch ein Tropfen Blut?« Juliana unterdrückte ein Kichern.
    »Seht euch dieses Wunderwerk der Baukunst an«, sagte Pater Bertran und blieb an der Uferböschung stehen. »Die Puente de Piedra!«
    Juliana staunte. Sie hatte auf ihrer Reise viele Flüsse überquert. Manche durch eine Furt watend, andere auf einer Fähre, viele auf hölzernen oder steinernen Brücken, doch selten war sie am Ufer eines solchen Flusses gestanden, der – in mehrere Seitenarme aufgeteilt – seine braunen Fluten vorbeiwälzte. Selbst jetzt in der Trockenheit des Sommers führte der Ebro viel Wasser. Wie musste es hier erst zur Zeit der Schneeschmelze in den Bergen aussehen?
    Als habe er ihre Gedanken gelesen, sagte Pater Bertran: »Im Frühling ist die gesamte Flussaue überschwemmt, und immer wieder muss der ein oder andere Pfeiler ausgebessert werden, wenn das Treibholz ihn beschädigt oder einfach nur der Druck des Wassers zu stark ist. Alfons VI. hat die Brücke mit ihren sieben Bogen errichten lassen, als die Stadt wieder aufgebaut wurde, ein paar Jahre nachdem der Cid sie zerstören ließ«, sagte der Augustinerpater.
    »Der berühmte Cid«, nickte Bruder Rupert. »Wie bei allen großen Männern gehen die Meinungen über ihn auseinander: Für die einen ist er der Held, für die anderen nur ein Raubritter, der die Mauren einmal bekämpft und sich dann wieder für seine eigenen Machtzwecke mit ihnen verbündet hat.«
    Sie zogen durch das Stadttor, vor dem sich die Karren stauten, bis ein Zöllner sie untersucht und der Fuhrmann die geforderten Münzen bezahlt hatte.
    »Der Ebro ist die neue Grenze«, sagte Pater Bertran. »Wir sind jetzt in Kastilien, dem riesigen Herrschaftsgebiet von König Ferdinand IV. und seiner Gemahlin Konstanze von Portugal. Ihr seht, die Macht des Kastiliers reicht weit. Nur das kleine Navarra mit seinem Franzosenkönig ist ihm ein stetiger Dorn im Auge.
    Logronno war nicht groß und einzig als Flussübergang und neue Grenzstadt von Bedeutung. Ein wuchtiges Kastell ragte am anderen Ufer neben der Brücke auf. Die Pilger sahen ungewöhnlich viele Geldwechsler zu beiden Seiten der Straße, als sie durch die Rúa Vieja schritten. Sie tauschten ihre wenigen
Coronaten in die hier geltenden Maravedíes blancos, von denen sechzig einen Goldmaravedi wert waren.
    Obwohl Juliana nach der schlechten Nacht und dem heißen Tag erschöpft war, erhob sie keinen Einwand, den Weg heute noch fortzusetzen. Sie war sogar froh, die engen Gassen mit ihrem stinkenden Unrat hinter sich zu lassen. Durch die Hitze hatten die aufsteigenden Wolken von Verwesungsgerüchen eine geradezu betäubende Wirkung – und überall diese Fliegenschwärme! Wie gut tat es, zwischen Olivenbäumen und Weinstöcken der sich rötlich färbenden Sonne des Abends entgegenzugehen. Juliana atmete tief durch, bis sie das Gefühl hatte, ihre Lungen von dem üblen Geruch gereinigt zu haben.
    Schweigend wanderten die fünf Pilger am Rand eines Höhenzuges den sanft ansteigenden Weg entlang. Noch bevor die Nacht hereinbrach, erreichten sie das Kloster San Juan de Acre, in dem die Hospitaliermönche nicht nur kranken und verletzten Pilgern Essen und eine Schlafstatt anboten. Ein prächtiges Tor aus rötlichem Sandstein führte sie in den

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